Die Theologische Ausrichtung der Bibelschule Wiedenest wird ja schon hier diskutiert, ich gestatte mir mal, einen Teilaspekt herauszugreifen und diesem einen eigenen Zweig zu widmen, damit der erste nicht so überladen wird mit verschiedenen Erörterungen.
Und zwar habe ich den Eindruck, daß durch die normative Kraft des Faktischen die Bibelschule Wiedenest die Klerikalisierung der Brüdergemeinden fördert. Man »produziert« Absolventen am laufenden Band und diese scheinen im Schnitt nicht sonderlich geneigt zu sein, noch in bürgerlichen Berufen zu arbeiten. Also müssen sie untergebracht werden und man vermittelt diese in die Gemeinden, die ohnehin zum Unterstützerkreis gehören.
Nun ist ja bekannt, daß die Wegwendung vom Klerikalismus einer der wesentlichen Gründe (wenn nicht gar der Grund) zur Entstehung der Brüderbewegung war. Dies wird jetzt offensichtlich systematisch unterlaufen. Man hat ein theologisches Gerüst geschaffen, das es scheinbar ermöglicht, Allgemeines Priestertum und Klerikalismus unter einen Hut zu bringen. Dieses ist so geschliffen, daß es von einer Vielzahl der Brüder geschluckt wird, in der Praxis ist es aber fast nicht mehr von kirchlichen Konzepten zu unterscheiden. Es fehlt nur noch der kleine Schritt, dem angestellten Pastor auch in der Theorie das Amtsverständnis zuzusprechen, das es de facto bereits mehr oder weniger gibt. Aber auch wenn dieser Schritt nicht vollzogen wird, sind die Auswirkungen schädlich. Schließlich macht niemand auf Dauer selbst einen Job, für den er jemanden bezahlt. So nimmt die Mündigkeit der Brüder systematisch ab. Mittelbar führt die Vermittlung von Bibelwissen an der Bibelschule also dazu, daß die Bibelkenntnis der Gesamtheit der Brüder eher abnimmt. Das klingt paradox, ist aber vor obenbeschriebenem Hintergrund schlüssig. So werden theologische Fragen von einer großen Zahl der Brüder schon wieder als Fachfragen angesehen, die den theologisch gebildeten Spezialisten zu überlassen seien und um die man sich demzufolge auch nicht persönlich kümmern müsse. Es wird nicht mehr als unanständig angesehen, sich für die Verkündigung des Evangeliums bezahlen zu lassen. Wie seht Ihr das?