Hallo Toffil,
Toffil hat geschrieben:Da wäre es hilfreicher, über andere Deutungen nachzudenken, anstatt zu sagen, den Verfasser können wir leider (oder glücklicherweise) nicht mehr fragen.
Ich bilde mir eigentlich ein, das schon vor zwei Wochen
getan zu haben. Ich halte das Lied für eine kindgemäße Veranschaulichung von Eph 5,15:
»Seht nun zu, wie ihr sorgfältig wandelt« (Luther 1984:
»So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt«; Gute Nachricht:
»Darum achtet genau auf eure Lebensweise!«). Zwei Verse vorher wird darauf angespielt, dass vor Gott nichts verborgen ist:
»Doch wenn das Licht Gottes auf diese Dinge fällt, werden sie erst richtig sichtbar. Was Gott ans Licht bringt, kann hell werden« (Hoffnung für alle). Wenn du "asderrix" fragst:
Toffil hat geschrieben:Wie wäre es also, wenn Du mir [...] einfach mal erklärst, was es bedeutet, dass ein Kind aufpassen soll, was es sieht und tut, weil Gott zusieht?
könnte man genauso gut auch Paulus mal auffordern zu erklären, was er damit meinte, dass ein Christ aufpassen soll, wie er sein Leben führt. Oder den Sprüchedichter, worauf er hinauswollte, als er schrieb:
Denn vor den Augen des HERRN <liegen> eines jeden Wege, und auf alle seine Bahnen gibt er acht. (Spr 5,21)
Die Augen des HERRN sind an jedem Ort und schauen aus auf Böse und auf Gute. (Spr 15,3)
Oder den Autor des Hebräerbriefs:
und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben. (Hebr 4,13)
Das sind alles ganz klare biblische Aussagen, insofern enthält das Lied nichts Unbiblisches. Selbst der katholische Religionspädagoge Hans Mendl, der das Lied »Pass auf, kleines Auge« ablehnt, warnt vor der Gefahr, ins andere Extrem zu fallen und einen ebenso einseitigen Kuschelgott zu propagieren:
Hans Mendl hat geschrieben:Der religionspsychologisch geprägte Zweig der Religionspädagogik beschäftigt sich intensiv mit der Frage nach den Gottesvorstellungen von Kindern und Jugendlichen. Das empirisch eindeutige Ergebnis erweist sich dabei durchaus als ambivalent: Bei Kindern dominiert heute die Vorstellung »eines freundlichen, helfenden und behütenden Gottes«. Dieser Glaube an den »guten« Gott hat das alte Gottesbild eines strafenden Aufpasser-Gottes (»Pass auf kleines Auge, was du siehst ...«) abgelöst. Gott sei Dank, würden wir sagen. Denn das ist ja auch emotional bedeutsam: dass sich Kinder heute unter Gott eine positive Größe vorstellen, bei der sie sich geborgen fühlen können.
Diese positive Tendenz ist aber deshalb ambivalent, weil durchaus die Frage angebracht ist, ob diese einseitige Vorstellung von Gott ausreicht, um beispielsweise die Theodizee-Frage angemessen zu beantworten. Oder laufen wir mit der Vorstellung eines ausschließlich »guten« Gottes nicht Gefahr, damit eine »Eiapopeia-Religiosität« zu erzeugen, einen Weichspüler- oder Sanso-Gott zu präsentieren, der letztlich auch unglaubwürdig ist? Geraten wir damit nicht vom einen Straßengraben in den anderen — von der Gottesvergiftung zur Gottesnarkotisierung?
(Hans Mendl u.a.: Wo war Gott, als er nicht da war? Berlin [Lit] 2006. S. 73f.)
Weiter schreibst du:
Toffil hat geschrieben:Meine Kinder werden ausdrücklich NICHT zu einer Angstbekehrung gedrängt
"Drängen" ist ganz sicher falsch, aber ganz ohne Angst ist m.E. überhaupt keine Bekehrung möglich. Zur Bekehrung gehört ja, dass man Gottes Urteil über sich anerkennt. Und wie lautet dieses Urteil? Eben. Die folgende Aussage Jesu ist an »Angstmacherei« doch kaum zu überbieten:
»Fürchtet den, der nach dem Töten Macht hat, in die Hölle zu werfen; ja, sage ich euch, diesen fürchtet!« (Lk 12,5). Ebenso die bereits erwähnte Stelle aus Hebr 10,31:
»Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!« Warum sollte sich ein Mensch überhaupt bekehren, wenn er nicht die Hölle zu fürchten hat?
Toffil hat geschrieben:Wie viele Leute aus der AV, Aktuelle oder Ehemalige, laufen durch die Gegend und TUN so, als sei alles in bester Ordnung? Ist es wirklich so schwer, den Leuten ihre hauptsächlich angstbetonte Prägung anzusehen oder ihren Worten zu entnehmen? Ich finde nicht.
Ähnlich schreibst du an "asderrix":
Toffil hat geschrieben:Wie kannst Du behaupten, Du WÜSSTEST, dass man nicht viele traumatisierte Kinder finden könne? Du bist doch laut eigener Aussage gar nicht in der Alten Versammlung aufgewachsen. Wie, glaubst Du, willst Du denn beurteilen, wie es dort war? Anhand Deiner paar Bekannten von dort, die einen nicht traumatisierten Eindruck machen? Und die selbst das vielleicht nur spielen?
Erstens geht es hier doch nicht nur um die AV, sondern um
alle, die als Kinder das Lied »Pass auf, kleines Auge« gesungen oder gehört haben. Deren Anzahl dürfte außerhalb der AV um ein Vielfaches höher sein als innerhalb. Zweitens geht es hier nur um die Frage, ob
das Lied »Pass auf« Angst macht, nicht um andere angstmachende Faktoren. Dass es in der AV Leute gibt, die als Kinder traumatische Erfahrungen gemacht haben, möchte ich gar nicht bestreiten; ich habe nur größte Zweifel, ob das Lied »Pass auf« dabei irgendeine Rolle spielte.