RMG hat geschrieben:eine getrennte Sitzordnung von Schwestern und Brüdern (die ja früher nicht nur in Brüderversammlungen sondern wohl auch ganz allgemein üblich war)
Einen interessanten Beleg dafür habe ich kürzlich in
Peter Strauchs Autobiografie
Meine Zeit steht in deinen Händen gefunden. In dem Kapitel über seine theologische Ausbildung in
Ewersbach (1962-1966) schreibt er über die damaligen Gepflogenheiten in den
Freien evangelischen Gemeinden des
hessischen Hinterlandes:
Schon in den ersten Wochen meines Studiums besuchte ich eine Familie, die ich aus Ronsdorf kannte, und ich besuchte nicht nur sie, sondern auch den Gottesdienst ihrer Gemeinde. Frauen und Männer saßen streng voneinander getrennt, und als auf der Männerseite keine Sitzgelegenheiten mehr waren, holte man mit viel Aufwand Stühle aus einem Nebenraum. Keiner der Männer kam auf den Gedanken, sich auf die linke Seite der Frauen zu setzen, was problemlos möglich gewesen wäre, denn dort waren noch viele Plätze frei.
In einer anderen Gemeinde wollte ich mich nach dem Schluss- und Segenswort auf den Weg zum Ausgang machen, als ich bemerkte, dass alle Männer sitzen blieben. So nahm auch ich wieder Platz. Erst als die letzte Frau den Saal verlassen hatte und die Tür am Ausgang ins Schloss fiel (ich habe das Geräusch noch im Ohr), kam Leben in die »Brüder«. Sie standen auf und unterhielten sich und machten sich schließlich auch auf den Weg nach draußen. Als ich sie fragte, weshalb sie sich so verhielten, hatte keiner eine Antwort darauf. Es war eben so — und vor allem: Es durfte nicht geändert werden. (S. 59f.)
Diese Schilderung könnte fast 1:1 aus einer "geschlossenen Versammlung" stammen (nur dass man hier nicht von "links" und "rechts", sondern eher von "vorn" und "hinten" reden müsste; außerdem gibt es dort natürlich kein "Segenswort").
Am Rande: Auch die folgende Stelle aus Strauchs Erinnerungen hat mich stark an die "Brüder" erinnert:
Erst später erfuhr ich, dass es in einer Gemeinde, in der ich einige Wochen später zu predigen hatte, wegen meines Bartes Probleme gab. »Darf jemand mit Bart auf die Kanzel?« Das war die Frage, die die dortige Gemeindeleitung ernsthaft beschäftigt hat. Und entlastend für sie sei hinzugefügt: Mitte der 70er-Jahre war der Bart noch ein Zeichen des Protestes — anders als heute, wo es dabei eigentlich nur noch um eine Geschmacksfrage geht. Und übrigens: Ich durfte dort predigen. (S. 129)