athanasius hat geschrieben:Jakobus schreibt unmissverständlich: „Der Glaube ohne Werke ist tot!“ Sprich: Den Glauben ohne Werke gibt es gar nicht.
Wieso "Sprich"? Ist tot sein dasselbe wie nicht existieren? Wenn ich sage: "Meine Katze ist tot", bedeutet das dann: "Meine Katze gibt es gar nicht"? Nein, was Jakobus sagen will, macht er im letzten Vers des Kapitels deutlich:
Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.
Hier würde man ja auch nicht sagen: "Einen Leib ohne Geist gibt es gar nicht." Es gibt ihn durchaus, aber er ist eben tot, d.h. leblos, regungslos, untätig, gibt kein Lebenszeichen (mehr) von sich. Gemeint ist also dasselbe, was Jakobus in V. 20 mit "nutzlos" beschreibt (in mehreren alten Handschriften heißt es auch hier: "tot"). Aber wer tot ist, hat einmal gelebt! Jakobus vergleicht den "toten Glauben" ja nicht mit einem unbelebten Objekt wie z.B. einem Stein, sondern mit einem "Leib ohne Geist", also einem Leichnam. Ein Leichnam war aber nicht immer tot! So ist es auch mit dem "toten Glauben": Er war irgendwann mal lebendig (wahrscheinlich in der ersten Zeit nach der Bekehrung), und man konnte das auch an seinen Früchten sehen, aber jetzt ist er tot, fruchtlos, untätig. Das soll aber nicht so sein, deshalb fordert Jakobus die Briefempfänger auf, den Glauben durch Werke "wiederzubeleben".
athanasius hat geschrieben:Die Heilige Schrift kennt die unbedingte Trennung zwischen Glauben und Werke gar nicht, sondern nur beide zusammen als Einheit.
Das sieht Paulus aber anders:
Röm 4,4.5: Dem aber, der Werke tut, wird der Lohn nicht angerechnet nach Gnade, sondern nach Schuldigkeit. Dem dagegen, der nicht Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet.
Wenn das keine "unbedingte Trennung" ist, was ist es dann?
athanasius hat geschrieben:Mir scheint, dass die Diskussionen um diese Themen bei vielen Christen nur eins zum Ziel haben, nämlich sich aus der Verantwortung zu stehlen und zu versuchen, so gut wie es geht die Werke zu umgehen.
Das ist eine Unterstellung! Genauso könnte man umgekehrt sagen, dass Christen, die sehr viel Wert auf Werke legen, einfach zu stolz sind zu akzeptieren, dass sie selbst nicht das Geringste zu ihrem Heil beitragen können. In so gut wie allen anderen Religionen muss sich der Mensch ja bemühen, Gutes zu tun, ein ordentliches Leben zu führen usw., um die jeweilige Gottheit gnädig zu stimmen und am Ende dafür mit dem Himmel (oder mit was auch immer) belohnt zu werden. Das kommt dem natürlichen, religiösen Menschen durchaus entgegen, denn es schmeichelt seinem Ich, dass es eben doch zu etwas Gutem in der Lage ist. Das Christentum bricht radikal mit solchen Vorstellungen! Das Einzige, was der Mensch tun kann, um das Heil zu erlangen, ist: glauben und das Geschenk der Gnade Gottes annehmen!
athanasius hat geschrieben:„Bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern“ (Phil 2,12). Dazu zählen auch besonders Werke der Barmherzigkeit.
Mit "Heil" kann ja hier wohl kaum das ewige Heil gemeint sein, sonst wäre das Werkgerechtigkeit in Reinkultur und in krassem Widerspruch zum Römerbrief. Man muss den Vers als Ganzes und im Zusammenhang betrachten:
Phil 2,12: Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht nur wie in meiner Gegenwart, sondern jetzt <noch> viel mehr in meiner Abwesenheit, bewirkt euer Heil mit Furcht und Zittern!
In den vorangehenden Versen hat Paulus vom Leiden für Christus und vom Kampf gegen Widersacher (1,28-30) sowie von Uneinigkeit, Eigennutz und Ruhmsucht (2,2-4) gesprochen. "Heil" bezieht sich hier offenbar auf die Rettung vor diesen Gefahren.
F.B. Hole schreibt dazu:
In Vers 12 verläßt der Apostel dieses erhabene Thema und kommt auf seine Ermahnung zurück, die in Kapitel 1,27 begann. Er wünschte, daß ihr Lebenswandel in allem dem Evangelium entspräche und daß sie sich durch hingebungsvolle Arbeit für das Evangelium in Einmütigkeit und durch Standfestigkeit angesichts der Anfeindungen auszeichneten. Damals, als Paulus bei ihnen ein- und ausging, waren sie allem, was er ihnen vorstellte, gehorsam gewesen. Jetzt, da sie seines persönlichen Beistands beraubt waren, sollten sie, wenn möglich, seinem Wort noch mehr gehorchen. Denn von außen bedrohten sie Gefahren, und innen war die versteckte Gefährdung durch die Zwietracht, und deshalb sollten sie mit doppelter Energie die Gesinnung, die in Christus Jesus war, suchen und offenbaren. Dadurch würden sie ihre eigene Errettung von alledem bewirken, was sie jetzt bedrohte. Und das sollten sie mit Furcht und Zittern tun, indem sie sich ihrer eigenen Schwachheit bewußt wären. Petrus hatte einmal gemeint, er könne seine eigene Errettung ohne Furcht oder Zittern bewirken, und wir wissen, was dabei herauskam.
Ähnlich William MacDonald:
Das »Heil«, von dem hier die Rede ist, ist nicht das Seelenheil, sondern Befreiung von den Fallstricken, die die Christen daran hindern wollten, den Willen Gottes zu tun. In ähnlichem Sinne beschreibt Vine es als »die völlige, gegenwärtige Erfahrung der Befreiung vom Bösen«. Heil hat viele verschiedene Bedeutungen im NT. Wir haben schon bemerkt, daß es in 1,19 die Befreiung aus dem Gefängnis bedeutet. In 1,28 ist damit die endgültige Erlösung unserer Leiber von der Gegenwart der Sünde gemeint. Die Bedeutung in jedem einzelnen Fall muß, zumindest teilweise, durch den Kontext bestimmt werden. Wir glauben, daß in diesem Abschnitt »Heil« die Lösung der Probleme der Philipper bedeutet, d. h. die Befreiung von Streitereien.
Ich komme jetzt nochmal auf die ursprüngliche Frage dieses Threads zurück:
toffil hat geschrieben:... würde ich gerne ein Thema zur Diskussion stellen, welches mir nicht ganz einfach erscheint, nämlich den Jakobusbrief und hier speziell den 24. Vers des zweiten Kapitels: "Da seht ihr, daß der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein." (Schlachter 1951) Ich habe bisher keine zufriedenstellende Auslegung gefunden, welche mir den vermeintlichen Widerspruch beispielsweise zu Galater 2,16 [...] erklären konnte; deshalb wäre ich für entsprechende Erläuterungen bzw. eine Diskussion darüber dankbar.
Ich denke, dass Jakobus mit "Rechtfertigung" etwas anderes meint als Paulus. Bei Paulus geht es um die Rechtfertigung vor Gott, und die geschieht allein durch Glauben, bei Jakobus dagegen um die Rechtfertigung vor den Menschen, und die kann nur durch Werke geschehen, weil der Glaube für die Mitmenschen nicht sichtbar ist. So schreibt z.B. Darby in der
Synopsis:
Beachten wir wohl, dass Jakobus niemals sagt, dass die Werke uns vor Gott rechtfertigen; denn Gott kann den Glauben auch ohne dessen Werke wahrnehmen. Er weiß, ob Leben vorhanden ist. Es tritt ja in Ausübung im Blick auf Ihn, für Ihn, im Vertrauen auf Sein Wort und auf Ihn Selbst, indem es Sein Zeugnis annimmt trotz allem, was von innen oder außen dagegen sein mag. Gott sieht und weiß das. Aber wenn es sich um unsere Mitmenschen handelt, wenn gesagt werden muss: „Zeige mir“, dann zeigt sich der Glaube (das Leben) in den Werken.
Und nochmal
F.B. Hole - hier ist das gut zusammengefasst:
Wir müssen nur bemerken, daß es Jakobus darauf ankommt zu zeigen, was vor Menschen gültig ist, wie Vers 18 erkennen läßt. Ein Mensch hat das Recht zu verlangen, daß wir unseren Glauben aus unseren Werken zeigen und so uns selbst und unseren Glauben vor ihm rechtfertigen. Im Römerbrief liegt der Schwerpunkt auf dem, was vor Gott gültig ist. Eben diese Worte "vor Gott" kommen in Römer 4,2 vor, wie wir gesehen haben. Unser Glaube ist vor Seinem alles durchdringenden Auge völlig offenbar. Er braucht nicht darauf zu warten, daß sich als Frucht unseres Glaubens Werke zeigen, um über die wirkliche Existenz unseres Glaubens Gewißheit zu haben. In der Welt der Menschen sind Werke eine Notwendigkeit, denn ohne sie können wir nicht gewiß sein, daß lebendiger Glaube vorhanden ist. Die Beispiele in den Versen 14-16 sind sehr beweiskräftig. Wir mögen Glauben an Gottes Fürsorge für Sein Volk bekennen, aber wenn dieser Glaube uns nicht willig macht, selbst ein Kanal zu sein, durch den sie strömt, dann haben bedürftige Brüder oder Schwestern keinen Nutzen davon, und wir selbst auch nicht. Unser Glaube ist in diesem besonderen Punkt tot und folglich unwirksam, wie uns Vers 17 sagt, und wir dürfen nicht überrascht sein, wenn andere ihn anzweifeln.
Tobias