Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Bibelverständnis der Brüderbewegung in Theorie und Praxis

Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon toffil am Fr 24. Dez 2010, 18:02

Hallo Tobias,

noch ein paar Gedanken dazu:

Ich habe sowohl Deine als auch die Beiträge aller anderen aufmerksam gelesen und (meiner Ansicht nach) mit Begründung widerlegt. Ich habe genau gar nichts vom Tisch gewischt, sondern mich mit jedem Satz auseinandergesetzt, weil mir das der Respekt vor allen Andersdenkenden gebietet. Das magst Du glauben oder es sein lassen.

Wenn es darum geht, "die Seele vom Tod" zu erretten, kann eine solche Aussage, wenn man den Bibelkontext ernst nimmt, nur um eins gehen, nämlich genau um das, was dort wörtlich steht, also um die Frage, ewiges Leben oder das Gegenteil. Da gibt es schlicht keine andere Deutungsmöglichkeit. Die Seele hat nach meinem Bibelverständnis mit dem leiblichen Tod nicht das Geringste zu tun.

Somit muß ich davon ausgehen, dass Du das entweder einfach nicht bedacht oder aber ein rhetorisches Konstrukt benutzt hast, um einen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen.

Diese Konstrukte sind aber negativ belegt; eigentlich müssen wir überhaupt nichts tun, um vermeintliche oder tatsächliche biblische Widersprüche aufzudröseln. Denn erstens gibt es sie definitiv, da können noch so viele Strauße Einspruch einlegen, zweitens, und das ist viel wichtiger, sollte uns doch bewußt sein, dass unsere Erkenntnis eben noch nicht vollkommen ist und wir überhaupt nicht in der Lage sind, alles zu verstehen und zu erklären.

Am Deutlichsten wird dieses Dilemma bei dem Knoten zwischen dem freien Willen und der Prädestination. Niemand in der Menschheitsgeschichte hat diesen bisher durchschlagen können, aber Tausende haben es mittels teilweise hanebüchener Rhetorik versucht. Und jetzt kommt auch noch daher und behauptet, auf jeden vermeintlichen biblischen Widerspruch die Antwort zu haben. Ich sollte wohl spätestens an dieser Stelle auf Vanheidens Buch zu diesen Widersprüchen verweisen.

Was ich an alldem so schade finde, ist die pure Angst, die dahinter zu spüren ist, dass das Glaubensgebäude womöglich zum Einsturz käme, müßte man eingestehen, dass die Bibel vielleicht doch hier und da einen kleinen "Fehler" hat. Für mich überdies ein Indiz für fehlendes Gottvertrauen. Ich habe dieses Problem nicht, mir ist völlig egal, ob in irgendeinem Buch der Bibel ein Semikolon falsch gesetzt ist, ob sich zwei Geschlechtsregister deutlich voneinander unterscheiden oder wieviel Engel wem wann nach der Auferstehung erschienen sind. Völlig unwichtig.

Und noch schlimmer finde ich, dass gerade diejenigen, welche wie die Pfeifenden im Walde nicht wahrhaben wollen, dass es die entsprechenden Unklarheiten gibt, demjenigen welcher sie postuliert, mangelnden oder falschen Glauben unterstellen. Das ist schon arg traurig.

Macht aber nichts, man gewöhnt sich ja dran.

Mir selbst ist nebenbei vollkommen bewußt, dass es eines Tages Klack machen kann und ich Jakobus im biblischen Kontext verstehe. Nur derzeit ist das noch nicht der Fall, und keine einzige der bisherigen Aussagen hierzu finde ich schlüssig.

Ich wünsche Dir und allen anderen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
toffil
 

Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon Tobias am So 26. Dez 2010, 01:45

Lieber toffil,

toffil hat geschrieben:Ich habe genau gar nichts vom Tisch gewischt, sondern mich mit jedem Satz auseinandergesetzt

In Gedanken vielleicht, aber zu lesen war davon wenig. Meinen Hauptbeitrag vom 20. Oktober (1300 Wörter inkl. Zitate) hast du z.B. mit einem einzigen Satz beiseitegefegt:

toffil hat geschrieben:Jakobus 2,14 widerlegt nach meinem Dafürhalten sowohl Dich als auch Darby!

Das ist nicht das, was ich mir unter einer differenzierten Argumentation vorstelle.

toffil hat geschrieben:Da gibt es schlicht keine andere Deutungsmöglichkeit. Die Seele hat nach meinem Bibelverständnis mit dem leiblichen Tod nicht das Geringste zu tun.

Es tut mir leid, aber das ist schon wieder ein Satz, der so klingt, als hättest du meinen Beitrag nicht gelesen. Ich habe doch deutlich geschrieben und mit Beispielen belegt, dass Seele (griech. psyche) häufig nur so viel wie "Leben" (oder sogar "Mensch") bedeutet. Außerdem geht es, auch das hatte ich bereits erwähnt, in Jak 5,20 um einen "Bruder", also um einen Gläubigen. Wenn man einen abgeirrten Gläubigen durch seelsorgerliche Hilfe vor der ewigen Verdammnis retten könnte, würde das bedeuten, dass Gläubige doch wieder verlorengehen könnten. Das widerspricht aber dem Gesamtzeugnis des Neuen Testaments und führt unweigerlich zu Werkgerechtigkeit, weil das ewige Heil dann nicht mehr allein vom Glauben und von der Gnade Gottes, sondern vom eigenen Lebenswandel abhängig ist.

toffil hat geschrieben:eigentlich müssen wir überhaupt nichts tun, um vermeintliche oder tatsächliche biblische Widersprüche aufzudröseln. Denn erstens gibt es sie definitiv

Wenn man nicht an eine einheitliche Botschaft des Neuen Testaments glaubt, ja. Wenn man aber daran glaubt, muss man zwangsläufig den Schluss ziehen, dass manche schwierigen Stellen offenbar anders zu verstehen sind, als sie bei oberflächlichem Lesen klingen.

toffil hat geschrieben:zweitens, und das ist viel wichtiger, sollte uns doch bewußt sein, dass unsere Erkenntnis eben noch nicht vollkommen ist und wir überhaupt nicht in der Lage sind, alles zu verstehen und zu erklären.

Da stimme ich dir gerne zu.

toffil hat geschrieben:Und jetzt kommt auch noch daher und behauptet, auf jeden vermeintlichen biblischen Widerspruch die Antwort zu haben.

Wer behauptet das bitte? Ich? Ohne Subjekt ist dieser Satz nicht recht verständlich.

toffil hat geschrieben:Was ich an alldem so schade finde, ist die pure Angst, die dahinter zu spüren ist, dass das Glaubensgebäude womöglich zum Einsturz käme, müßte man eingestehen, dass die Bibel vielleicht doch hier und da einen kleinen "Fehler" hat. Für mich überdies ein Indiz für fehlendes Gottvertrauen. Ich habe dieses Problem nicht, mir ist völlig egal, ob in irgendeinem Buch der Bibel ein Semikolon falsch gesetzt ist, ob sich zwei Geschlechtsregister deutlich voneinander unterscheiden oder wieviel Engel wem wann nach der Auferstehung erschienen sind. Völlig unwichtig.

Bezeichnend, dass du ausgerechnet diese drei Beispiele wählst, die für das Heil tatsächlich belanglos sind! (Wobei das Beispiel mit dem Semikolon natürlich reine Polemik ist.) Aber um eine solche Nebenfrage geht es ja im Moment gar nicht, sondern um die zentrale Frage nach dem Weg zum ewigen Heil: Glaube oder Glaube + Werke? Sollen wir wirklich annehmen, dass Gott in seiner schriftlichen Offenbarung auf diese lebenswichtige Frage zwei einander widersprechende Antworten gibt? Wenn ja, an welche der beiden sollen wir uns halten? An die, die uns besser gefällt?

Was du über Geschlechtsregister und Engel schreibst, sehe ich genauso; in diesen Nebenfragen braucht mein Gottvertrauen keine "widerspruchsfreie" Bibel. Aber ich weigere mich einfach zu glauben, dass die Bibel über die zentralen Heilstatsachen keine eindeutige Botschaft verkündigt. Das wäre in etwa so (um bei dem Beispiel mit den Engeln nach der Auferstehung zu bleiben), wie wenn einer der vier Evangelisten die Auferstehung überhaupt leugnen würde.

toffil hat geschrieben:Und noch schlimmer finde ich, dass gerade diejenigen, welche wie die Pfeifenden im Walde nicht wahrhaben wollen, dass es die entsprechenden Unklarheiten gibt, demjenigen welcher sie postuliert, mangelnden oder falschen Glauben unterstellen. Das ist schon arg traurig.

Da bin ich ganz deiner Meinung. Von den plumpen Parolen über "echte" und "unechte Christen" usw. distanziere ich mich ebenfalls entschieden. Im bibelkreis.ch-Forum mag das gängiger Diskussionsstil sein, aber hier sind wir bisher auch ganz gut ohne ausgekommen.

toffil hat geschrieben:Ich wünsche Dir und allen anderen ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Danke gleichfalls!

Tobias
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon schween am Mo 27. Dez 2010, 23:39

Ich zitiere aus der Schlachter 2000-Bibel:
Jakobus 2,14: "Was hilft es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann ihn denn dieser Glaube retten?"
In der Fußnote zu "dieser" steht folgendes: "Der hier im Griechischen stehende bestimmte Artikel ist hinweisend und rückbezüglich auf den im vorhergehenden Satz gekennzeichneten Glauben ohne Werke."

Weiterhin möchte ich noch einen draufsetzen:
"Wurde nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerechtfertigt, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar darbrachte? Siehst du, daß der Glaube zusammen mit seinen Werken wirksam war, und daß der Glaube durch die Werke vollkommen wurde? Und so erfüllte sich die Schrift, die spricht: »Abraham aber glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet«, und er wurde ein Freund Gottes genannt. So seht ihr nun, daß der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein." (Jak 2,21-24)
Dieser Abschnitt soll uns sicher lehren, dass wir unter den biblischen Begriffen meist etwas ganz anderes verstehen als Gott es meinte. Wir denken bei "Glauben" an "Nicht genau wissen" oder "theoretisches Fürwahrhalten". Die Bibel beschreibt jedoch Glaben als eine solche Überzeugung gegen die Zusagen Gottes, dass es unweigerlich Handeln nach sich zieht, ansonsten wäre es ein Zweifel an Gottes Bundestreue.
Werke des Glaubens sind solche Handlungen, die Gott durch Seine Verheißungen vorbereitet und die wir dann im Glauben einfach annehmen müssen, sprich: unsere (gottgewollte) Reaktion auf Seine Verheißungen. Diese Werke hat Er uns bereitet, sie kommen nicht aus uns selbst (Eph 2,8-10), da wir ja nicht gut sind, jedoch der Geist der Wahrheit in uns wirken kann, wenn wir Ihn lassen.
Wenn man diese Harmonie und das Zusammenspiel Gottes mit dem Menschen einmal versteht, löst sich dieser scheinbare Widerspruch schnell auf. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass es wirklich keinerlei Widerspruch in der Bibel gibt, sondern unser menschliches Denken lediglich uns das Erkennen der Wahrheit vernebelt und deshalb es nötig ist, dass Gott uns offenbart, was Wahrheit ist (Ps 139,23; 1Kor 4,4). Weiterhin denke ich, dass theologische Lehrmodelle wie der Calvinismus oder der Arminianismus diese scheinbare Widersprüchlichkeit verstärken, da sie dieses harmonische Zusammenspiel auf die jeweilige Seite über die biblischen Wahrheit hinaus überziehen
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon toffil am Di 4. Jan 2011, 17:31

Hallo Tobias,

vielleicht ist der entscheidende Unterschied zwischen uns, dass Du viele Deiner Gedanken niederschreibst und daraus dann Dein Fazit ableitest. Was mir im Kopf herumschwirrt und meine Entscheidungsfindung herbeiführt, versuche ich (wenigstens zum größten Teil) den Lesern zu ersparen ...

Über die Sache mit der Seele habe ich mir, weil ich immer bestrebt bin, mir die Dinge selbst möglichst einfach hinzulegen, unter anderem folgende Gedanken gemacht: Wenn wir daran glauben, dass Gott sein Wort an uns inspiriert hat, dann sollten wir konsequenterweise auch daran glauben, dass er denjenigen, welcher aus reinem Herzen und lauteren Motiven dieses Wort in andere Sprachen übersetzt, mit seinem Heiligen Geist unterstützt. Deshalb gehe ich zunächst immer davon aus, dass es bei wichtigen Aussagen (Geschlechtsregister und die Anzahl der Engel an Jesu Grab gehören ausdrücklich nicht dazu!) keine Fehler in einer Lutherbibel gibt, welche das Verständnis des Textes auf den Kopf stellen könnten. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht entgegen meiner sonstigen Einstellung sogar extrem unkritisch, wer weiß.

Unter anderem deshalb, aber auch nach Studium des gesamten Jakobusbriefes, bin ich eben der Meinung, dass Du (und Darby) in diesem Punkt falschliegen.

Was Jakobus 5 angeht, stimme ich Dir teilweise zu. Wobei Vers 20 aus meiner Sicht tatsächlich arg schwer zu verstehen ist und interessanterweise auch an einer entscheidenden Stelle unterschiedlich übersetzt wird. Vergleiche Luther, Schlachter und Elberfelder hinsichtlich "eine Seele" und "seine Seele".

Entschuldige, bei dem Hinweis auf die biblischen Widersprüche fehlte das Wort "einer". Robert war gemeint, der hatte kürzlich behauptet, noch alle angeblichen Widersprüche erklärt zu haben.

Was die "Widersprüche" an sich betrifft, fürchte ich allerdings, dass sie nicht auf die Nebenkriegsschauplätze beschränkt sind, sondern weit darüber hinausgehen.

Ich könnte mir noch vorstellen, dass bei mir irgendwann eine Klappe fällt und ich verstehe, wie Jakobus im neutestamentlichen Kontext zu verstehen ist. Bisher ist es schlicht so, dass ich mir einbilde, alle Erklärungsversuche als rhetorische Konstrukte "entlarvt" zu haben. Eventuell werde ich noch eines Besseren belehrt. Sowieso glaube ich fest an Sola Gratia".

Viel interessanter finde ich jedoch, dass es uns Christen bis heute nicht gelungen ist, die zentralste Frage der Menschheit sauber zu beantworten. Freier Wille oder Prädestination? Fakt ist, dass es in der Bibel Aussagen gibt, die beides propagieren. Und Fakt ist auch, dass niemand in der Geschichte der Christenheit bis heute in der Lage war, diesen Knoten zweifelsfrei zu entwirren. Noch jeder, der vollmundig behauptet hat, dies geschafft zu haben, ist relativ bald in seiner Argumentation widerlegt worden.
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon toffil am Di 4. Jan 2011, 17:46

schween hat geschrieben:Ich zitiere aus der Schlachter 2000-Bibel:
Jakobus 2,14: "Was hilft es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann ihn denn dieser Glaube retten?"
In der Fußnote zu "dieser" steht folgendes: "Der hier im Griechischen stehende bestimmte Artikel ist hinweisend und rückbezüglich auf den im vorhergehenden Satz gekennzeichneten Glauben ohne Werke."

Weiterhin möchte ich noch einen draufsetzen:
"Wurde nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerechtfertigt, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar darbrachte? Siehst du, daß der Glaube zusammen mit seinen Werken wirksam war, und daß der Glaube durch die Werke vollkommen wurde? Und so erfüllte sich die Schrift, die spricht: »Abraham aber glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet«, und er wurde ein Freund Gottes genannt. So seht ihr nun, daß der Mensch durch Werke gerechtfertigt wird und nicht durch den Glauben allein." (Jak 2,21-24)
Dieser Abschnitt soll uns sicher lehren, dass wir unter den biblischen Begriffen meist etwas ganz anderes verstehen als Gott es meinte. Wir denken bei "Glauben" an "Nicht genau wissen" oder "theoretisches Fürwahrhalten". Die Bibel beschreibt jedoch Glaben als eine solche Überzeugung gegen die Zusagen Gottes, dass es unweigerlich Handeln nach sich zieht, ansonsten wäre es ein Zweifel an Gottes Bundestreue.
Werke des Glaubens sind solche Handlungen, die Gott durch Seine Verheißungen vorbereitet und die wir dann im Glauben einfach annehmen müssen, sprich: unsere (gottgewollte) Reaktion auf Seine Verheißungen. Diese Werke hat Er uns bereitet, sie kommen nicht aus uns selbst (Eph 2,8-10), da wir ja nicht gut sind, jedoch der Geist der Wahrheit in uns wirken kann, wenn wir Ihn lassen.
Wenn man diese Harmonie und das Zusammenspiel Gottes mit dem Menschen einmal versteht, löst sich dieser scheinbare Widerspruch schnell auf. Ich gehe im Übrigen davon aus, dass es wirklich keinerlei Widerspruch in der Bibel gibt, sondern unser menschliches Denken lediglich uns das Erkennen der Wahrheit vernebelt und deshalb es nötig ist, dass Gott uns offenbart, was Wahrheit ist (Ps 139,23; 1Kor 4,4). Weiterhin denke ich, dass theologische Lehrmodelle wie der Calvinismus oder der Arminianismus diese scheinbare Widersprüchlichkeit verstärken, da sie dieses harmonische Zusammenspiel auf die jeweilige Seite über die biblischen Wahrheit hinaus überziehen

Ich finde, es ist eine ganz spannende Frage, wie wir das Wort Glauben wirklich verstehen. Für mich ist es platt ausgedrückt das Verlassen auf etwas Unbewiesenes, und die Frage ist nun, wie es kommt, dass man eine innere Überzeugung entwickeln kann, wonach das, woran man glaubt, auch wahr ist. Da gibt es mehrere Möglichkeiten:

Meine Frau ist überzeugt, dass ich ein sicherer Autofahrer bin, und vertraut sich mir demzufolge auch ohne Zweifeln an, wenn es wie letzte Woche bei Eis und Schnee an die Nordsee geht.

Komme ich nächste Woche mit einer Hayabusa nach Hause und lade zu einer Probefahrt ein, gibt es wiederum zwei Möglichkeiten:

Entweder sagt sie sich, ein so erfahrener, sicherer Autofahrer wird auch mit dem Moped vernünftig umgehen können, und ist absolut ruhig im Herzen.

Oder sie sagt sich, ich habe die Hosen total voll, aber ich will mich meinem Mann anvertrauen und daran glauben, dass alles gut geht. Hier kommt die Ruhe erst nach der erfolgreichen Probefahrt.

Was ist Glaube? Ersteres gewiß. Aber auch Letzteres? Kann es vielleicht sein, dass auch unser Glaube mit vollen Hosen startet und nach und nach durch Gottes Handeln zu dieser sicheren Gewißheit wird? Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, war es wohl so.

Und egal, welcher Art nun mein Glaube sein mag: Er schützt meiner Ansicht nach in beiden Versionen nicht davor, Werke zu tun!

Ich glaube übrigens ebenfalls daran, dass wir die Bibel einmal als absolut harmonisches Ganzes verstehen werden, was aber nicht während unseres irdischen Lebens der Fall sein wird.

Außerdem glaube ich, dass Gott sein Wort an uns, wohl wissend wie sich die Christenheit deswegen die Köppe einschlagen würde, mit voller Absicht so hat schreiben lassen, wie es ist, damit wir lernen, dass die Liebe zwar nicht ohne die Lehre auskommen darf, aber den absoluten Vorrang vor ihr haben muß!
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon schween am Di 4. Jan 2011, 18:51

toffil hat geschrieben:Was ist Glaube? Ersteres gewiß. Aber auch Letzteres? Kann es vielleicht sein, dass auch unser Glaube mit vollen Hosen startet und nach und nach durch Gottes Handeln zu dieser sicheren Gewißheit wird? Wenn ich auf mein Leben zurückblicke, war es wohl so.

Ich denke da an die Geschichte mit den zwei zugefrorenen Sees:
Der erste See hat eine dünne und brüchige Eisschicht, der zweite eine sehr dicke stabile.
Geht einer mit großen Vertrauen, an die Festigkeit des Eises, unzweifelnd auf den ersten See, bricht er ein.
Geht ein anderer zögerlich und ängstlich auf den zweiten See, bricht er nicht ein, und hat er noch so viel Angst davor.

Das Handeln ist das, was den Glauben wirklich offenbart. So sind die Werke des Glaubens zu verstehen. Der biblische Glaube bringt auch immer solche Werke (= Frucht) hervor und deswegen schreibt Jakobus auf diese Art davon.

An der Geschichte mit den Sees sehen wir gut, was wir unter Glaube zu verstehen meinen, und was Gott darunter versteht. Wir würden doch den ersten als Gläubigen und den zweiten als Zweifler abstempeln, aber so sieht es Gott nicht.

Biblischer Glaube ist immer ein Handeln auf die Verheißungen Gottes als 100%ig zuverlässig hin. Alles andere ist bloße Theorie.
Auch deine Frau zeigt ihren Glauben, indem sie auf das Motorrad steigt. Beeidet sie ihr Vertrauen glaubhaft, steigt aber trotzdem nicht auf, kann man das nicht als Glauben im Sinne der Bibel verstehen.
Man könnte auch an die Begebenheit aus Mt 21,28-31 denken, die zwar nicht exakt unser Thema behandelt, aber trotzdem eine Aussage darüber zu machen scheint.

Kann man diese Gedanken nachvollziehen, was ich meine?
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon toffil am Fr 7. Jan 2011, 11:10

schween hat geschrieben:Kann man diese Gedanken nachvollziehen, was ich meine?

Nachvollziehen kann ich das.

Mir fällt dazu aber eher Petrus ein (Lukas 5); was dort passiert ist, kommt meiner Ansicht über das Thema am Nächsten, glaube ich.
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon Adria am Sa 13. Aug 2011, 19:18

Wenn ich das Thema wieder aufgreiffen darf und ein Paar Wörter dazu sage kann...Ich sehe die beiden Brief wie ein Paar Schuh,beiden ergänzen sich und lehren uns etwas über der Glaube. Paulus und Jakobus reden zu verschiedene Gruppe von Juden die zum Glaube gekommen waren. Paulus erwähnt die Gesetzteswerk,während Jakobus die Werke des Glaubens betrachte,das sollte wir schon auseinander halten ! Im Römer Brief redet Paulus als Beispiel,übers Abraham Rechtfertigung denn er war unter die Jude sehr Hoch geschätzt,während Jakobus den Beispiel Rahab erwähnt,sie war weder Israelitin noch kannte das Gesetzt Mose,dazu war sie eine Hure. Beiden Brief aber sind übereinstimmig und lehren uns zwei aspekt des Glaube. Wir können es im Glaube ohne zweifel und wiederspruch aufnehmen.
Paulus redet zu den Juden welche eifrig waren für das Gesetzt und meinte,wie sie auch gelehrt waren,durch einhaltung des Gesetzt,bei Gott und Ewiges Leben zu erlangen. Paulus schreibt aber deutlich das alle Menschen gesündigt haben und die Herrlichkeit Gottes nicht erlangen können. Er sagt es auch deutlich in andere vers;"Der ist nicht ein Jude der am Fleisch beschnitten ist sondern am Herz". (siehe auch der beispiel im Galatha Brief,etliche verführten andere aus den Heiden Gläubig gewordene,sie sollten sich nach dem Gesetzt Mose beschneiden lassen um erretet zu werden.)
" Aus Gnade seid ihr erretet mittels des Glaube,nicht aus Werke damit niemand sich rühmt vor Gott"
Also waren die Juden im Rome eifrig für das Gesetzt,während in Jakobusbrief um der selbstbetrug des Menschen geht.
"Wenn jemand meine Gott zu dienen und hälte seine Zunge nicht im Zaum,der betrügt sich selbst;ein Wahre Gottesdienst vor Gott ist dieser,Waise und Witwe zu besorgen und in ihren Trübsal zu besuchen"
Ihm geht es mehr um die Barmherzigkeit die durch den Glaube aktiv wird ! Denken wir an die viele die einmal kommen werden und sagen;" Herr,haben wir nicht in deine Name Wunder vollbracht,geweisagt,Demon ausgetriebt,und er wird zu ihnen sagen;Weicht von mir ihr Übeltäter,ich kenne euch nicht!"Jakobus zeigt diesen Jude,und so auch wir,daß der Glaube ohne Werk Tot ist. Dazu fordet er sie;"Werdet nicht allein Hörer meine Brüder,..."Also deutet er auf der Gehorsame Glaube. Jesus spricht auch dasselbe indem er sagt;"Was nennt ihr mich Herr und tut nicht was ich sage"
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon schween am Sa 13. Aug 2011, 22:31

Das Wort "Glaube" ist im Deutschen echt schwierig un missverständlich. Wir meinen in der Regel etwas wie Vorstellungskraft damit.
Im Griechischen bedeutet pistis jedoch zu allererst Treue, Vertrauen usw.
Hier sieht man schon allein im Wortverständnis, dass es ein großer Unterschied in Theorie und Praxis gibt. Die Bibel versteht Glauben nie als etwas Theoretisches, sondern als Handeln auf Vertrauen hin.
Mit dieser Sprachbarriere müssen wir wohl leider leben, aber wenn wir uns das immer wieder bewusst machen, entwirren sich die scheinbar schwer verständlichen Bibeltexte.
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Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon nadia am Mi 18. Jan 2012, 19:34

Jesus spricht von zwei Brüdern. Der erste wurde vom Vater gebeten, ihm zu helfen. Neee, sagte dieser. Keine Lust. Der zweite sagte, ja, er käme gleich. Und der kam nicht. Der zweite hatte sicher gewusst, dass der Vater Hilfe braucht. Er hatte auch brav gelernt zu vertrauen und ja zu sagen. (Meine Interpretation.) Der erste hatte ein stärker ausgeprägtes Ego. Er wusste auch viel. Aber er war sich selbst der Nächste. Und dieser hatte nun mal keine Lust. Aber in all der Echtheit - des ersten - konnte auch sein Gewissen wirken. Aus Theorie folgte Gehorsam, und Jesus lobte das. Der zeite Sohn wusst sich der Liebe des Vaters bestimmt noch sicher. Er fürchtete sich nicht. Er war Sohn. Er fürchtete sich nicht vor einer Kündigung. Er war kein Sklave....Ohne Gehorsam gibt es keinen Lohn. Wer nur glaubt aber nie das Richtige tut oder zum Überwinder wird, wie es die Offenbarung uns sagt, schafft es nicht. Selbst Nachbarn belächeln Christen, wenn sie sehen, dass sie zwar in den Gottesdienst gehen, aber ansonsten lassen sie sich gehen. Sie lassen sich sogar scheiden (OHNe dass Ehebruch oder Schläge im Spiel waren). Wir sollen nicht spielen mit Gott.
Und wenn die eine Stelle von Gerechtigkeit aus Glauben spricht, die andere von Werken, dann kann nur der Heilige Geist in der Stille das für uns aufschlüsseln, denn beide Stellen sind Gottes Wort.
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