Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Bibelverständnis der Brüderbewegung in Theorie und Praxis

Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon Tobias am Mi 22. Dez 2010, 01:53

toffil hat geschrieben:Oder gibt es im Bezug auf das Christentum noch eine andere Art Rettung als DIE Rettung?

Ja. Gerade bei Jakobus bezieht sich "retten" in der Regel nicht auf die Rettung vor der ewigen Verdammnis, sondern auf die Rettung vor dem leiblichen Tod. Das Wort kommt in seinem Brief fünfmal vor:

Jak 1,21: Deshalb legt ab alle Unsauberkeit und das Übermaß der Schlechtigkeit, und nehmt das eingepflanzte Wort mit Sanftmut auf, das eure Seelen zu erretten vermag!

Das griechische Wort für "Seele" (psyche) bedeutet, auch und gerade in Verbindung mit "(er)retten" (gr. sozo), so viel wie "Leben". Beispiele:

  • Mk 3,4: Ist es erlaubt, am Sabbat ... das Leben zu retten?
  • Lk 6,9: ob es erlaubt ist, am Sabbat ... Leben zu retten
  • 1Mo 32,31 (Septuaginta): Und Jakob gab der Stätte den Namen Pnuel: denn ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und meine Seele ist gerettet worden! (= ich bin nicht gestorben)
  • 1Sam 19,11: Wenn du nicht in dieser Nacht dein Leben rettest, dann wirst du morgen umgebracht werden.
  • Jer 48,6: Flieht, rettet euer Leben ...!
Wenn also sozo in Verbindung mit psyche "das Leben retten" bedeutet, scheint es auch hier in Jak 1,21 nicht um die Rettung vor der ewigen Verdammnis zu gehen (als ob diese davon abhinge, das - bereits eingepflanzte! - Wort "mit Sanftmut aufzunehmen"), sondern um die Rettung vor dem leiblichen Tod, der als Gericht wegen der "Unsauberkeit und des Übermaßes an Schlechtigkeit" drohen könnte. Dass der leibliche Tod eine Gerichtsmaßnahme Gottes sein kann, finden wir ja öfter im Neuen Testament (Ananias und Saphira, Apg 5; die "unwürdig" essenden Korinther, 1Kor 11,31; "Sünde zum Tod", 1Joh 5,16f.). Und Paulus sagt in Röm 8,13: wenn ihr nach dem Fleisch lebt, so werdet ihr sterben, wenn ihr aber durch den Geist die Handlungen des Leibes tötet, so werdet ihr leben.

Jak 5,15: Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten, und wenn er Sünden begangen hat, wird ihm vergeben werden.

Hier ist die Sache klar: Diese "Rettung" bezieht sich ganz offensichtlich nicht auf die Verdammnis, sondern auf die Krankheit, von der der Betreffende geheilt werden soll (und die eine Folge von Sünde sein kann).

Jak 5,20: so wißt, daß der, welcher einen Sünder von der Verirrung seines Weges zurückführt, dessen Seele vom Tode erretten und eine Menge von Sünden bedecken wird.

Auch hier kann es sich nicht um die Verdammnis handeln, denn der "Sünder" ist ein abgeirrter "Bruder" (V. 19); es muss wieder die Rettung vor dem leiblichen Tod als Gericht für Sünde gemeint sein.

Jak 4,12: Einer ist Gesetzgeber und Richter, der zu erretten und zu verderben vermag. Du aber, wer bist du, der du den Nächsten richtest?

Das ist die einzige Stelle im Jakobusbrief, die man auf die Verdammnis beziehen könnte, aber auch hier geht es nicht um den rettenden Glauben, sondern darum, dass allein Gott das Urteil über Menschen zusteht.

Zurück zu Jak 2,14:
Was nützt es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, hat aber keine Werke? Kann etwa der Glaube ihn erretten?

Berücksichtigt man die übrigen Vorkommen des Wortes "(er)retten" im Jakobusbrief, muss man diese Aussage also wohl folgendermaßen verstehen: Wenn sich der Glaube in einem bloßen Bekenntnis erschöpft und sich nicht in Werken zeigt, lebt der Gläubige fleischlich und muss damit rechnen, von Gott durch vorzeitigen leiblichen Tod gestraft zu werden.

Hier noch eine Liste weiterer NT-Stellen, wo "retten" sich nicht auf die ewige Verdammnis bezieht:

  • Mt 8,25: Herr, rette <uns>, wir kommen um!
  • Mt 14,30: als er anfing zu sinken, schrie er ...: Herr, rette mich
  • Mt 27,40: Der du den Tempel abbrichst ..., rette dich selbst!
  • Mt 27,42: Andere hat er gerettet, sich selbst kann er nicht retten
  • Mt 27,43: Er vertraute auf Gott, der rette ihn jetzt
  • Mt 27,49: Halt, lasst uns sehen, ob Elia kommt, ihn zu retten!
  • Mk 5,23: lege ihr [Jairus' Tochter] die Hände auf, damit sie gerettet wird und lebt!
  • Lk 1,74: dass wir, gerettet aus der Hand unserer Feinde, ohne Furcht ihm dienen sollen
  • Joh 12,27: was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde?
  • Apg 7,10: und rettete ihn [Josef] aus allen seinen Bedrängnissen
  • Apg 12,11: dass der Herr seinen Engel gesandt und mich [Petrus] gerettet hat
  • Apg 27,31: Wenn diese nicht ... bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden
  • Apg 27,43: Der Hauptmann aber, der Paulus retten wollte
  • Apg 27,44: so geschah es, dass alle an das Land gerettet wurden
  • Apg 28,1: als wir gerettet waren, da erfuhren wir, dass die Insel Melite heiße
  • Apg 28,4: dieser Mensch ..., obschon er aus dem Meer gerettet ist
  • Röm 15,31: damit ich von den Ungehorsamen in Judäa errettet werde
  • 2Thess 3,2: dass wir errettet werden von den schlechten ... Menschen
  • 1Tim 2,15: Sie wird ... durch das Kindergebären <hindurch> gerettet werden
  • 2Tim 3,11: aus allen [Verfolgungen] hat der Herr mich gerettet
  • 2Tim 4,17: ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen
  • 2Tim 4,18: Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk
  • 1Petr 3,20: die Arche ..., in die wenige ... durchs Wasser hindurch gerettet wurden
  • Jud 5: nachdem er das Volk einmal aus ... Ägypten gerettet hatte
toffil hat geschrieben:Und keiner von uns hat diesen Knoten bisher entwirren können.

Sagen wir lieber: Keiner von uns hat dich bisher überzeugen können ... ;)

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Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon toffil am Mi 22. Dez 2010, 11:25

Tobias hat geschrieben:Sagen wir lieber: Keiner von uns hat dich bisher überzeugen können ... ;)

Tobias

Richtig, keiner hat mich bisher überzeugen können. Das ist auch nicht ganz einfach, wenn man mit falschen Argumenten arbeitet:

Wie kann man zu der Ansicht gelangen, der Passus "die Seelevom Tod erretten" bezöge sich nicht auf die Verdammnis? Ist mir ehrlich gesagt schleierhaft!

Ansonsten interpretiere ich das Ganze wie Du; wenn Glaube sich nicht in Werken ausdrückt, stimmt was nicht. Gleichzeitig sind Werke nicht heilsentscheidend.
toffil
 

Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon Robert am Mi 22. Dez 2010, 13:44

Diese Aussage:
Aber abgesehen davon, dass meine Hinweise gar nicht "meine Logik" sind, sondern die Widersprüche schlicht und ergreifend in der Bibel stehen (ich selbst bin fest davon überzeugt, dass allein die Gnade rettet), mache ich es mir lieber etwas schwerer, als herzugehen und biblische Widersprüche aus purer Angst vom Tisch zu wischen und zu behaupten, es seien gar keine.

ist eine Gotteslästerung und läßt auf den falschen Glauben des Schreibers schließen.
Liebe Grüße Robert
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Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon toffil am Mi 22. Dez 2010, 14:36

Robert hat geschrieben:Diese Aussage:
Aber abgesehen davon, dass meine Hinweise gar nicht "meine Logik" sind, sondern die Widersprüche schlicht und ergreifend in der Bibel stehen (ich selbst bin fest davon überzeugt, dass allein die Gnade rettet), mache ich es mir lieber etwas schwerer, als herzugehen und biblische Widersprüche aus purer Angst vom Tisch zu wischen und zu behaupten, es seien gar keine.

ist eine Gotteslästerung und läßt auf den falschen Glauben des Schreibers schließen.

Herzlichen Dank!
toffil
 

Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon Administrator am Mi 22. Dez 2010, 16:25

Kurzer Zwischenruf:

Da der Titel dieses Threads nichts über das Thema verriet, habe ich mir erlaubt, ihn umzubenennen.
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Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon ebo am Mi 22. Dez 2010, 17:41

toffil hat geschrieben: Ansonsten interpretiere ich das Ganze wie Du; wenn Glaube sich nicht in Werken ausdrückt, stimmt was nicht. Gleichzeitig sind Werke nicht heilsentscheidend.

Was sind denn für Dich eigentlich Werke?
ebo
 

Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon toffil am Mi 22. Dez 2010, 17:49

ebo hat geschrieben:
toffil hat geschrieben: Ansonsten interpretiere ich das Ganze wie Du; wenn Glaube sich nicht in Werken ausdrückt, stimmt was nicht. Gleichzeitig sind Werke nicht heilsentscheidend.

Was sind denn für Dich eigentlich Werke?

Ist es nicht viel wichtiger, was Werke für Jakobus sind?
toffil
 

Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon ebo am Mi 22. Dez 2010, 19:56

toffil hat geschrieben:
ebo hat geschrieben:
toffil hat geschrieben: Ansonsten interpretiere ich das Ganze wie Du; wenn Glaube sich nicht in Werken ausdrückt, stimmt was nicht. Gleichzeitig sind Werke nicht heilsentscheidend.

Was sind denn für Dich eigentlich Werke?

Ist es nicht viel wichtiger, was Werke für Jakobus sind?

Na klar.

Ich glaube es geht Dir wirklich nur um´s diskutieren. Wenn es anders wäre, würdest Du nicht so oberflächlich alles vom Tisch wischen, was hier von einigen vorgetragen und in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wird. Anders kann man Deine Antwort nämlich nicht verstehen.
ebo
 

Re: Nach langer Stille ...

Beitragvon toffil am Do 23. Dez 2010, 11:32

ebo hat geschrieben:
toffil hat geschrieben:Ist es nicht viel wichtiger, was Werke für Jakobus sind?

Na klar.

Ich glaube es geht Dir wirklich nur um´s diskutieren. Wenn es anders wäre, würdest Du nicht so oberflächlich alles vom Tisch wischen, was hier von einigen vorgetragen und in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wird. Anders kann man Deine Antwort nämlich nicht verstehen.

Worum es mir geht, habe ich bei der Eröffnung dieser Diskussion beschrieben.

Und das, was in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen haben, habe ich auch beantwortet, und zwar mit Begründung. Deshalb kannst Du mir schwerlich Oberflächlichkeit vorwerfen. Im Übrigen habe ich meine Einschätzung zu Glaube und Werke dargelegt und lediglich darauf verwiesen, was dort wörtlich und im grammatikalischen Sinne unzweideutig geschrieben steht. Und dann empfinde ich es als Oberflächlichkeit, wenn Behauptungen aufgestellt werden wie "Jakobus spricht überhaupt nicht von der Rettung vor der ewigen Verdammnis". Das ist absolutes Vogel-Strauß-Verhalten, indem man alles, womit man konfrontiert wird, mit dem eigenen Glaubensverständnis vergleicht und jegliche Abweichung, wie schreibst Du so schön, vom Tisch wischt.

Meine Antwort bezüglich der Werke kannst Du vielleicht auch so verstehen, dass ich es für vollkommen unnütz halte, nun auch noch die Definition des Begriffes "Werkes" zu diskutieren. Denn egal was ich dazu schriebe, irgendjemand wird an der Formulierung etwas herumzukritteln haben, und schon bewegt man sich wieder vom eigentlichen Thema weg.

Aber wie schon einmal erwähnt möchte ich darüber nicht unnötig streiten, vor allem nicht in dieser Zeit.
toffil
 

Re: Jakobus im Widerspruch zu Paulus?

Beitragvon Tobias am Do 23. Dez 2010, 14:25

Lieber toffil,

du hast sehr wohl alle Gegenargumente einfach "vom Tisch gewischt". Oder willst du wirklich behaupten, dass du dich mit ihnen ernsthaft auseinandergesetzt hättest? Nehmen wir doch nur mal diesen Satz:

toffil hat geschrieben:Wie kann man zu der Ansicht gelangen, der Passus "die Seelevom Tod erretten" bezöge sich nicht auf die Verdammnis? Ist mir ehrlich gesagt schleierhaft!

Das müsste dir nicht "schleierhaft" sein, wenn du meinen Beitrag aufmerksamer gelesen hättest. Da stand es nämlich drin.

toffil hat geschrieben:Das ist absolutes Vogel-Strauß-Verhalten, indem man alles, womit man konfrontiert wird, mit dem eigenen Glaubensverständnis vergleicht und jegliche Abweichung, wie schreibst Du so schön, vom Tisch wischt.

Ist es bei dir denn viel anders? Du hast bisher kein einziges Argument auch nur ernst genommen, geschweige denn dich inhaltlich darauf eingelassen; du hast alles einfach nur zurückgewiesen. Wenn du mit so einer Haltung an die Frage herangehst, hat eine Fortsetzung der Diskussion nicht viel Sinn. Was für eine Art von Lösung erwartest du eigentlich? Du schreibst:

toffil hat geschrieben:Es wird mittels Rhetorik etwas konstruiert, was (vermeintliche) Widersprüche auflöst.

Rhetorik? "a) Redekunst; b) Lehre von der wirkungsvollen Gestaltung der Rede; c) Lehrbuch der Redekunst" (Duden). Mir war nicht bewusst, dass ich besonders kunstvoll geredet hätte, aber danke für das Kompliment. Und was den Vorwurf des "Konstruierens" betrifft: Wie sollen wir es sonst machen? Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass die Bibel Gottes schriftliche Offenbarung ist und eine Einheit ohne wirkliche Widersprüche bildet, müssen wir die vermeintlichen Widersprüche eben irgendwie "auflösen", d.h. als Scheinwidersprüche erklären, und das habe ich versucht. Die einzige Alternative wäre, wie schon gesagt, den Glauben an die Einheit der Bibel aufzugeben. Wenn du das willst, können wir dich nicht daran hindern, aber dann sollte sich deine Kritik gegen diesen Glauben als solchen richten und nicht gegen Versuche, von diesem Glauben ausgehend eine Erklärung für vermeintliche Widersprüche zu finden. Oder wartest du auf eine neue göttliche Offenbarung, die das Problem löst??

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