@ toffil
Ich war einige Jahre in einem Übersetzerteam und habe dort die tollsten Dinge erlebt. Mit Deinem letzten Satz hast Du natürlich recht, doch leben wir in einem Land, wo die meisten Oberlehrer sind und alles besser wissen. Dazu kommt unbedingt, dass man den anderen ja von der eigenen Sicht der Dinge überzeugen muss, weil ja nur die eigene Sicht richtig ist. Das geht bis dahin, dass man andere nicht nur der Irrlehre bezichtigt, sondern auch noch den Glauben abspricht.
Insofern wirst du nie einen Bibelübersetzer finden, der objektiv übersetzt.
Im aktuellen Fall habe ich ein gutes Beispiel dafür:
In Johannes 19, 27 wird üblicherweise übersetzt:
Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
Die kommunikative NGÜ übersetzt:
Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich und versorgte sie.
Um sich auch ja von allem zu distanzieren, was in die Nähe einer möglichen marianischen Interpretation kommt, wurde der Zusatz:
und versorgte sie mit aufgenommen. Das ist aber ganz großer Unsinn, denn 1. steht es nicht im Urtext und 2. hätte Maria Johannes nicht gebraucht, sie zu versorgen.
Hier wird dem Leser etwas eingeimpft (und das ist hier sprachpsychologisch sehr geschickt gemacht), was rein hypothetisch und nicht beweisbar ist. Die Aussage hingegen ist weitgreifend und wer jetzt an Verbalinspiration glaubt, ist komplett auf dem Holzweg. Das war "NGÜ-Inspiration" und so könnte ich noch viele, viele Beispiele anführen, die den Urtext entstellen.
Grüße
athanasius