Maria hat geschrieben:Mit anderen Worten, wollte ich wissen „Kann ein Christ sein Heil verlieren?“
Auf diese Frage gibt es im Grunde drei mögliche Antworten:
1. Ja - so wie der Mensch sich aus freiem Willen zu Gott wenden kann, kann er sich aus freiem Willen auch wieder von Gott abwenden (Antwort des Arminianismus).
2. Nein - Errettung ist allein Sache der Gnade Gottes, und wer wirklich errettet ist, wird von Gott im Glauben erhalten, andernfalls war er nicht wirklich errettet (Antwort des Calvinismus).
3. Nein - Errettung ist allein Sache der Gnade Gottes und nicht von menschlichen Werken abhängig, weder von denen vor noch von denen nach seiner Bekehrung, deshalb ist die Errettung unwiderruflich, auch wenn der Mensch sich später wieder von Gott abwendet.
Möglichkeit 1 kann nicht richtig sein, denn sie macht das Heil vom Verhalten und von der Treue des Menschen abhängig. Wenn ein Mensch sich nach seiner Bekehrung durch gute Werke sein Heil erhalten muss, ist das Werkgerechtigkeit und nicht mit dem biblischen Grundsatz "allein aus Gnade, nicht aus Werken" (Eph 2,8.9) vereinbar.
Möglichkeit 2, auch in der Brüderbewegung weit verbreitet, macht sich die Sache m.E. zu einfach. Zwar kommt es tatsächlich vor, dass Menschen behaupten, bekehrt zu sein (oder sich als Kind bekehrt zu haben), aber in ihrem Leben war nie etwas davon zu sehen - hier kann man mit Recht ein Fragezeichen hinter die Errettung setzen. Auf der anderen Seite gibt es aber doch auch Fälle, wo Menschen nicht nur ein Lippenbekenntnis abgelegt, sondern jahrelang ein christliches Leben geführt und vielleicht sogar im Segen unter den Gläubigen gewirkt haben (z.B. in Wortverkündigung oder Seelsorge), dann aber durch irgendwelche äußeren Versuchungen oder Einflüsse in Sünde gefallen sind oder sich sogar ganz vom Glauben abgewandt haben. Wäre ihr Glaube unecht und geheuchelt gewesen, hätten geistlich gesinnte Gläubige das doch garantiert schon damals gemerkt. Im Nachhinein zu sagen, sie seien offenbar nicht wirklich gläubig gewesen, ist m.E. ein billiges Ausweichmanöver, denn erstens kann niemand mehr in die Vergangenheit zurückkehren und das überprüfen, und zweitens braucht man sich so nicht mehr mit der unbequemen Frage auseinanderzusetzen, wie es zu diesem "Abfall" kommen konnte. Wer bestreitet, dass ein Gläubiger in die Sünde fallen und sogar dauerhaft darin leben kann, unterschätzt die alte Natur in uns und die Verführungsmacht des Satans.
Deshalb ist Möglichkeit 3 die einzige biblische und logische Alternative. Die Errettung ist ein Kindschaftsverhältnis und damit niemals auflösbar, auch wenn das Kind ungehorsame Wege geht. "Wenn wir untreu sind - er bleibt treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen" (2Tim 2,13). Allerdings ist Untreue mit einem Verlust an Belohnung verbunden (1Kor 3,14f.; 2Joh 8; 2Tim 2,12). Biblische Beispiele für untreue Gläubige sind etwa Salomo (1Kön 11,1-13) oder Demas (2Tim 4,10).
Maria hat geschrieben:Wenn das so ist, dass man nicht abfallen kann, wieso macht sich Jesus und die Aposteln die Mühe, alle Menschen vor Versuchungen, Abfall von Glauben und Irrlehren zu warnen? Auch verstehe ich nicht, wozu sie etwas von Ausharren im Glauben erzählen, wenn man nicht ausharren muss, da man ja 100%ig nie abfallen kann, wie du sagst? Wozu sagen dann Jesus, Apostel und die Bibel soetwas, wenn das Heil gewiss ist?
Weil es nicht nur um das ewige Heil geht (das wäre ja rein egoistisch gedacht), sondern auch darum, ein Leben zur Ehre Gottes zu führen, das Ihm Freude macht und für andere Menschen ein Zeugnis ist. Nicht um sich damit den Himmel oder das Heil zu verdienen - das ist ein freies Geschenk der Gnade Gottes -, sondern um dem Herrn ein wenig von der Liebe zurückzugeben, die er uns entgegengebracht hat (Joh 14,15.21; 15,10; 1Joh 5,3; 2Joh 6).
Samuel A. hat geschrieben:Weitere Prüfsteine für wahren rettenden Glauben sehen wir auch im 1. Johannesbrief.
Dabei muss man aber bedenken, dass Johannes oft sehr grundsätzlich und absolut formuliert, um sozusagen den Normalzustand des Christen zu verdeutlichen. Dass es Ausnahmen geben kann, macht Johannes an mindestens einem Beispiel selbst klar:
In 1Joh 5,18 schreibt er: "Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt". Das klingt nach Sündlosigkeit und Perfektionismus: Wer wiedergeboren ist, sündigt nicht mehr; wer also sündigt, ist nicht wiedergeboren. Allerdings heißt es im gleichen Brief auch: "Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand sündigt - wir haben einen Beistand bei dem Vater: Jesus Christus, den Gerechten" (1Joh 2,1). Also kann ein Wiedergeborener doch sündigen! Oberflächlich betrachtet ist das ein direkter Widerspruch zu 1Joh 5,18. Wenn wir jedoch glauben, dass es in der Bibel keine Widersprüche gibt (und noch viel weniger innerhalb desselben Buches), müssen wir daraus schließen, dass Johannes in Kap. 5 "nur" den grundsätzlichen Normalzustand definiert.
Es ist deshalb problematisch, aus dem 1. Johannesbrief "Prüfsteine für wahren rettenden Glauben" abzuleiten. Wir sollten uns hier eher an den großen Evangelisten Paulus halten:
"Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden" (Apg 16,31).
"Gottes Gerechtigkeit aber durch Glauben an Jesus Christus für alle, die glauben. Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes und werden umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade, durch die Erlösung, die in Christus Jesus ist" (Röm 3,21-24).
"Ich tue euch aber, Brüder, das Evangelium kund, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch steht, durch das ihr auch errettet werdet [...]: dass Christus für unsere Sünden gestorben ist nach den Schriften; und dass er begraben wurde und dass er auferweckt worden ist am dritten Tag nach den Schriften" (1Kor 15,1-4).
Wer das glaubt und für sich persönlich in Anspruch genommen hat, ist errettet.
Samuel A. hat geschrieben:Ich kann dir nur empfehlen, dass du die Bücher von lloyd-jones Gott der Vater, Gott der Sohn und Gott der Heilige Geist liest, der systematisch wie kein anderer christliche Lehre darstellen konnte. Ich bin echt begeistert von diesen Büchern. Kaufe sie dir und lese sie und du wirst wahrscheinlich mehr Frieden in deinem Herzen bekommen, als dass du jetzt hast.
Da Lloyd-Jones Calvinist war, ist von ihm wahrscheinlich die oben beschriebene "billige" Lösung 2 zu erwarten. Jedenfalls sollte man sich, wenn man seine Bücher zur Hand nimmt, über seine calvinistische Position im Klaren sein.
Tobias