Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Historische Entwicklung der Brüderbewegung, historische Personen, Geschichte verwandter Strömungen

Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Sa 4. Jan 2014, 02:18

In dem Buch Was uns die Bibel lehrt (CV Dillenburg 2001) ist ja auf Seite 75 ein Schaubild zur Geschichte der deutschen Brüderbewegung abgedruckt. Ich habe das mal etwas erweitert und modifiziert:

Brüdergeschichte Deutschland.gif
Brüdergeschichte Deutschland.gif (19.37 KiB) 32746-mal betrachtet

Gegenüber der Vorlage habe ich u.a. die Raven-Brüder hinzugefügt (auch wenn sie heute zahlenmäßig unbedeutend sein mögen), außerdem die Abwanderung aus dem BEFG nach der Wende in der DDR. Die variierende Balkenbreite soll einen groben Eindruck von den Größenverhältnissen geben (das kann natürlich nur annähernd geschehen). Zwischen Brüder- und Baptistengemeinden im BEFG habe ich eine dünne weiße Linie gelassen, da von einem wirklichen Zusammenschluss ja eigentlich bis heute nicht die Rede sein kann.

Wundern wird sich vielleicht mancher über den Pfeil von den Raven- zu den Offenen Brüdern 1904/05. Meines Wissens ist in der Brüdergeschichtsliteratur bis heute nicht ausreichend gewürdigt worden, dass etliche namhafte Offene Brüder in Deutschland von den Raven-Brüdern herkamen, so etwa Christian Schatz (1897-1900 Herausgeber der Raven-Zeitschrift Worte der Gnade und Wahrheit!), Albert von der Kammer, Ferdinand Braselmann oder Ferdinand Hilliges. Oft nahmen diese Brüder beim Übertritt "ihre" Versammlungen mit (z.B. Albert von der Kammer in Wolgast). Noch in den 1920er Jahren druckte Christian Schatz in seiner Zeitschrift Saat und Ernte gelegentlich Texte von Stoney, Coates oder Raven ab, und auch die eigentümliche damalige Lehre der Offenen Brüder über den Tisch des Herrn (vgl. die Broschüren von Braselmann, Schatz, Schreuder und von der Kammer) ist wahrscheinlich von ihrer Raven-Herkunft beeinflusst.

Verbesserungsvorschläge und Kommentare zum Schaubild sind willkommen.
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Re: Schaubild zur Geschichte der deutschen Brüderbewegung

Beitragvon asderrix am Sa 4. Jan 2014, 11:05

Hallo Michael,
von den Gemeinden, die 1990 einen eigenen e. V. gründeten, gibt es meines Wissens einige, die sich als "Blockfrei" sehen, weil sie bewusst den Kontakt zu den "Bundesgemeinden" und dem "Freien Brüderkreis" pflegen wollten. Die Gemeinde Hammerbrücke hat das meines Wissens hier im Vogtland als einzige dadurch ausgedrückt, dass sie sich im Gemeindeverzeichnis auch als "Blockfrei" bezeichnet, andere sagten ist doch egal, was da hinten steht, wir werden die Einheit, die wir in der DDR schätzten, weiter zu pflegen.
Das geschieht auch dadurch, dass es im Vogtland nach wie vor einen Austauschplan zwischen allen Gemeinde gibt.
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Re: Schaubild zur Geschichte der deutschen Brüderbewegung

Beitragvon Levi am Sa 4. Jan 2014, 12:19

Hallo Michael,

einige Fragen habe ich zu deinem Schaubild?

1) Wie kommst auf das Jahr 1900 als Anfangsdatum der offenen Brüder? M.W. gab es doch schon in den 1840er/1850er Jahren eine Versammlung in Stuttgart, die durch Trennung von den Baptisten entstand. Auf jeden Fall fällt mir eine offene Versammlung ein, die älter ist als 1900: Berlin-Hohenstaufenstraße, die zumindest seit 1894 existiert
2) Der Zweig der Glanton- (m.W. ausgestorben), der Den-Helder- und der wieder existierenden Tunbridge-Wells-Versammlungen fehlt.
3) Es gibt einige Blockfreie Versammlungen, die sich wieder dem Freien Brüderkreis angeschlossen haben, eine sogar dem BEFG
4) Wie kommst du auf das Datum "ab 1996" bei den Blockfreien Versammlungen? War die Beiseitesetzung von Karlsruhe nicht schon 1992?
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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Sa 4. Jan 2014, 21:00

Hallo asderrix und Levi,

danke für eure Hinweise und Anmerkungen.

asderrix hat geschrieben:von den Gemeinden, die 1990 einen eigenen e. V. gründeten

Die aus dem DDR-BEFG ausgetretenen Gemeinden haben sich also als e.V. organisiert? Kann man erfahren, wie der heißt?

asderrix hat geschrieben:gibt es meines Wissens einige, die sich als "Blockfrei" sehen, weil sie bewusst den Kontakt zu den "Bundesgemeinden" und dem "Freien Brüderkreis" pflegen wollten. Die Gemeinde Hammerbrücke hat das meines Wissens hier im Vogtland als einzige dadurch ausgedrückt, dass sie sich im Gemeindeverzeichnis auch als "Blockfrei" bezeichnet, andere sagten ist doch egal, was da hinten steht, wir werden die Einheit, die wir in der DDR schätzten, weiter zu pflegen.

Das ist natürlich in so einem Schaubild schwer darzustellen, oder hättest du einen Vorschlag? Das Selbstverständnis dieser Gemeinden besteht ja dann eigentlich gerade darin, kein besonderer Zweig zu sein ...

Levi hat geschrieben:1) Wie kommst auf das Jahr 1900 als Anfangsdatum der offenen Brüder? M.W. gab es doch schon in den 1840er/1850er Jahren eine Versammlung in Stuttgart, die durch Trennung von den Baptisten entstand.

Ja, die 1843 unter Mitwirkung von Georg Müller entstandene; aber kann man vor 1848 überhaupt von Offenen Brüdern reden? Zudem scheint diese Gemeinde ja später, als Carl Brockhaus und andere "Darbyaner" herumreisten, zu den Geschlossenen Brüdern übergewechselt zu sein.

Levi hat geschrieben:Auf jeden Fall fällt mir eine offene Versammlung ein, die älter ist als 1900: Berlin-Hohenstaufenstraße, die zumindest seit 1894 existiert

Ja, aber die verstand sich in den ersten Jahren noch nicht als Offene Brüdergemeinde, sondern eher als überkonfessionelle "Allianzgemeinde"; auch die Bibelschule wurde 1905 ja noch auf breitester Allianzbasis gegründet. Ich habe mal irgendwo gelesen (weiß leider gerade nicht wo), dass die Gemeinde Berlin-Hohenstaufenstraße erst nach dem Wegzug der Bibelschule nach Wiedenest (1919) allmählich eine Identität als Offene Brüdergemeinde auszubilden begann.

Ein besseres Beispiel wäre vielleicht Bad Homburg (gegründet 1887). Auch diese Gemeinde entstand sicher nicht mit dem Ziel, die Glaubensgemeinschaft "Offene Brüder" in Deutschland zu etablieren, aber zumindest hatte der Begründer Jean E. Leonhardt während eines längeren Englandaufenthalts den Offenen Brüdern angehört und brachte eine entsprechende Prägung mit.

Levi hat geschrieben:2) Der Zweig der Glanton- (m.W. ausgestorben), der Den-Helder- und der wieder existierenden Tunbridge-Wells-Versammlungen fehlt.

Das stimmt, aber absolute Vollständigkeit habe ich auch nicht angestrebt, zumal wenn es sich um "Zweige" handelt, die nur aus einer einzigen kleinen Versammlung bestehen (wie z.B. jetzt Tunbridge Wells). Dann müsste man z.B. auch Friedewald (Ww.) oder Struthütten (?) noch aufnehmen. Was die Den-Helder-Versammlungen betrifft, bin ich leider nicht auf dem aktuellen Stand, wer da gerade mit wem "in Gemeinschaft" ist. Die Glanton-Brüder könnte ich allerdings noch einbauen, nur weiß ich nicht, wo der Balken enden müsste ...

Levi hat geschrieben:3) Es gibt einige Blockfreie Versammlungen, die sich wieder dem Freien Brüderkreis angeschlossen haben

Da stellt sich natürlich die Frage, was dieses "Anschließen" genau bedeutet (außer dass man sich im Wegweiser als "FB" klassifizieren lässt). Einige namhafte Freie Brüder meinen ja, alle Brüdergemeinden, die nicht zur AV und nicht zum BEFG gehören, seien sowieso automatisch Freie Brüder ... Ich verstehe "Freier Brüderkreis" eher historisch im Sinne von "Wermelskirchen 1949" bzw. "Ex-BEFG".

Levi hat geschrieben:eine sogar dem BEFG

Du meinst wahrscheinlich Schwelm? Die gehören meines Wissens nicht zum BEFG, sondern nur zur AGB (das geht ja auch ohne BEFG-Mitgliedschaft).

Levi hat geschrieben:4) Wie kommst du auf das Datum "ab 1996" bei den Blockfreien Versammlungen? War die Beiseitesetzung von Karlsruhe nicht schon 1992?

Die war, glaube ich, 1993, aber auch das war ja nur ein lokaler Einzelfall; die eigentliche "Trennungswelle" im Gefolge des Den-Helder-Briefes begann ja erst 1996 mit Schwelm.
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Re: Schaubild zur Geschichte der deutschen Brüderbewegung

Beitragvon asderrix am Sa 4. Jan 2014, 22:07

asderrix hat geschrieben:von den Gemeinden, die 1990 einen eigenen e. V. gründeten

Die aus dem DDR-BEFG ausgetretenen Gemeinden haben sich also als e.V. organisiert? Kann man erfahren, wie der heißt?

Nein, größere Gemeinden haben einen eigenen e. V. gegründet, einige eher kleinere haben sich in einem e.V. zusammen geschlossen. Der Sinn dieses e.V. ist aber jeweils nur, die finanziellen/steuerrechtlichen Angelegenheiten ordentlich abzuwickeln. Die Eigenständigkeit der Gemeinden bleibt erhalten.

Das ist natürlich in so einem Schaubild schwer darzustellen, oder hättest du einen Vorschlag? Das Selbstverständnis dieser Gemeinden besteht ja dann eigentlich gerade darin, kein besonderer Zweig zu sein ...

Ja, das wird echt schwer "keinen Zweig" einzuzeichnen. ;)
Es wäre vielleicht möglich den Zweig von 1990 auch zu den Blockfreien zu zeichnen, was dem Selbstverständnis vieler Gemeinden auch näher käme.
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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Mo 6. Jan 2014, 21:49

Habe jetzt mal eine neue Fassung erstellt. Den Zweig der Glanton-Brüder habe ich irgendwo in der Kriegszeit auslaufen lassen, und bei den "Blockfreien" habe ich drei verschiedene Strömungen eingezeichnet: die Ex-AVs, die Ex-BEFGs und die Neugründungen (z.B. in Süddeutschland), die ich bisher noch gar nicht berücksichtigt hatte. Da diese drei Strömungen nicht wirklich eine gemeinsame Gruppe bilden, sondern nur das Merkmal "blockfrei" teilen, ist es vielleicht besser, sie einfach organisatorisch unverbunden nebeneinander stehen zu lassen:

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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Do 9. Jan 2014, 16:25

Als Ergänzung hier mal ein vergleichbares Schaubild zur angloamerikanischen Brüdergeschichte, das ursprünglich von Grant Steidl stammt. Auch dieses ist allerdings nicht vollständig; es fehlen z.B. die verschiedenen Raven-Abspaltungen, der "Needed-Truth"-Zweig der Offenen Brüder und der "Independent"-Zweig der Grant-Brüder ab 1894. Außerdem kann man wohl nicht von einer generellen Vereinigung der Grant- und Stuart-Brüder 1885 sprechen.

Brethren History 700.gif
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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Do 9. Jan 2014, 19:12

Stelle gerade fest, dass ich noch eine zweite Version davon habe:

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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon Levi am Do 9. Jan 2014, 20:57

Hallo Michael,

vielen Dank für die Karten.
Ich habe wieder ein paar Fragen und Anmerkungen ausgehend von den Karten von Steidl, die vielleicht hier jemand im Forum beantworten kann:
1) Ich hat mal irgendwo gelesen, dass sich die Grant- und Stuart-Versammlungen schon schnell nach den jeweiligen Trennungen von der Park Street gegenseitig anerkannten und Mahlgemeinschaft pflegten. Was er mit 1885 meint, bleibt mir aber auch schleierhaft.
2) TW: Es gibt doch auch noch außerhalb von England und USA TW-Versammlungen, oder? Er übergeht neben der Haupttrennung 1939 auch noch die Trennungen innerhalb der TW in England und USA. Weiß jemand wieviele verschiedene Gruppen es dort heute gibt und zu welcher sich Bible Truth Publishers zählt?
3) Gibt es die Ames-Brüder heute noch?
4) Gibt es heute noch separate Glanton-Versammlungen? Mein letzter Stand ist, dass es eine Gruppe namens "Little Glanton" gab, zu der sich auch Hamilon Smith zählte. Er m.W. nie in Gemeinschaft mit den sog. Reunited-Brethen.
5) Gibt es heute noch separate Stuart-Versammlungen, die nicht in Gemeinschaft mit den Reunited Brethren sind?
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Re: Schaubild zur Geschichte der Brüderbewegung

Beitragvon schneid9 am Mi 22. Jan 2014, 03:38

Hallo Levi,

ich habe in der Zwischenzeit mal ein bisschen recherchiert und mich umgehört. Zumindest bei den Fragen 2 und 3 kann ich weiterhelfen.

Levi hat geschrieben:1) Ich hat mal irgendwo gelesen, dass sich die Grant- und Stuart-Versammlungen schon schnell nach den jeweiligen Trennungen von der Park Street gegenseitig anerkannten und Mahlgemeinschaft pflegten. Was er mit 1885 meint, bleibt mir aber auch schleierhaft.

Wahrscheinlich meint er einfach nur das, was du auch schreibst. Ouweneel sagt in seiner Brüdergeschichte ja, dass zwischen den Grant- und den Stuart-Brüdern "bereits früh" bzw. "schon bald" Kontakte entstanden — das könnte also schon 1885 gewesen sein. Aber es war natürlich keine echte Vereinigung, insofern ist das etwas irreführend dargestellt.

Levi hat geschrieben:2) TW: Es gibt doch auch noch außerhalb von England und USA TW-Versammlungen, oder? Er übergeht neben der Haupttrennung 1939 auch noch die Trennungen innerhalb der TW in England und USA. Weiß jemand wieviele verschiedene Gruppen es dort heute gibt und zu welcher sich Bible Truth Publishers zählt?

Einen ganz guten Überblick über die Geschichte der TW-Brüder bietet die BrethrenPedia. Demnach gab es 1992 in Nordamerika eine Trennung zwischen der (geschlosseneren) Nepean- und der (offeneren) Perth-Gruppe. Die Nepean-Gruppe spaltete sich 2004 nochmals in eine (geschlossenere) Embassy-West-Gruppe und eine (offenere) Falaise-Road-Gruppe. Erstere bildet die Mehrheit, und mit ihr sind auch Bible Truth Publishers verbunden. Eine frühere Abspaltung von Nepean ist anscheinend auch die Gruppe um Roy A. Huebner (Present Truth Publishers), die unter dem Namen Shrewsbury bekannt sein soll (nach dem Versammlungsort in New Jersey). Zu den neueren Trennungen vgl. auch diesen persönlich gefärbten Bericht von Mike D. Moore.

Levi hat geschrieben:3) Gibt es die Ames-Brüder heute noch?

Laut Roger P. Daniels Footprints in Time or Lessons from the History of the So-Called 'Plymouth Brethren' (2007) gibt es sie noch. Ihr Verlag ist Moments with the Book.
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