Neo-Brüdertum

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Neo-Brüdertum

Beitragvon Tobias am Do 19. Dez 2013, 00:34

Die anonymen Betreiber des Blogs jesaja 66:2 haben kürzlich einen Text von William MacDonald und Jean Gibson aus dem Jahr 1991 wiederveröffentlicht, in dem vor Veränderungstendenzen im Brüdertum gewarnt wird. Sehr interessant! Einiges davon kann man auch in den deutschsprachigen Brüdergemeinden gut wiedererkennen. Was meint ihr?

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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Christian O. am Sa 21. Dez 2013, 14:26

Hallo Tobias,

ich finde den Artikel recht interessant, vermute aber auch, dass er in einem größeren Kontext entstanden ist. Ich schätze sowohl Gibson als auch McDonald als Bibellehrer sehr. Dennoch glaube ich, dass in diesem Statement doch einige Schwächen vorhanden sind. Ein paar Beispiele möchte ich nennen.

There is a weakened emphasis on the Breaking of Bread, its general importance, its frequency, and Spirit-led participation by the brethren. The service tends to be increasingly structured.

Die Frage die sich spontan stellt ist, ob diese Kritikpunkt denn solche sind die aus der Schrift belegbar sind, oder sich eher an der Tradition und Kultur von Brüdergemeinden orientiert. Ouweneel schreibt z.B. in einem lesenswerten Artikel über die "Leitung des Geistes in den Zusammenkünften" das Folgende:

(...) Das fällt natürlich auch unseren jungen Leuten auf, und die sind dann sehr erstaunt, wenn sie entdecken, dass im Neuen Testament darüber eigentlich keine einzige Schriftstelle zu finden ist. So etwas ist stets ein schlechtes Zeichen! Wir laufen Gefahr, dasselbe zu tun, was wir so oft bei kirchlich Gläubigen tadeln: nämlich außerordentliche Betonung auf ein bestimmtes Thema zu legen, das zwar aus Tradition geliebt, jedoch tatsächlich in der Bibel so nicht vorkommt.(...) (Quelle: http://www.soundwords.de/artikel.asp?id=882)

Ist es denn wirklich so, dass man nur dann "Brüdergemeinde" sein darf, wenn man in den - nicht unbedingt biblisch fundierten - Traditionen lebt? Auch was die Häufigkeit des Abendmahls angeht haben wir in der Schrift allenfalls beschreibende, aber sicher keine vorschreibenden Texte. Und ist Struktur in einem Gottesdienst denn so schlecht? Nimmt Paulus uns nicht in die Gestaltungspflicht wenn er schreibt "nur soll alles anständig und geordnet zugehen"? Diese Ordnung habe ich in manchen Gottesdiensten die dem Spontanprinzip verpflichtet waren in der Vergangenheit doch sehr vermisst.

Sermon topics are chosen on the basis of popular appeal; that is, what the public wants, rather than on the whole counsel of God. Frequently themes are based on secular psychology and contemporary buzz words rather than systematic exposition of the Scriptures. It is a popularized pulpit with “show-biz” techniques.

Die Praxis im Bereich konservativer Brüdergemeinden ist ja die, dass die Predigtthemen im Rahmen der Lehre von der "Leitung des Geistes in den Zusammenkünften" gar nicht geplant bzw. vorgegeben sind. Es wäre also zunächst zu klären, ob die Autoren grundsätzlich die Planung von Predigtthemen kritisiert, oder - durchaus zurecht - nur die Auswahlmethode noch nicht geistlichen oder gar unbiblischen Gesichtspunkten. Wie will man denn den "ganzen Ratschluss Gottes" verkünden, wenn man sich nicht Gedanken dazu macht? Mein Erleben in über 40 Jahren Brüdergemeinde ist nämlich, dass viele Elemente des Ratschlusses Gottes nie in den Predigten vorkamen, andere Bereiche - die interessanterweise den persönlichen vorlieben der "dienenden Brüder" entsprachen - dafür um so häufiger. Wieviele Predigten über den Epheserbrief wurden gehalten, wieviele im Verhältnis dazu über den Jakobus- oder Judasbrief? Und was sind bitte "Showelemente"? Ist das der Einsatz von Multimedia, eine angenehme Beleuchtung und Dekoration des Gottesdienstraums oder ein Lobpreisteam? In so einer Generalkritik lässt sich alles und nichts unterbringen.

There is a general lack of attention to those things that lead to spiritual revival: prayer, conviction, confession, repentance, and obedience. Dependence is on church marketing strategies. The offence of the cross is missing.

Ich kenne einige nach den vorhergegangenen Bemerkungen schon als "Neo - Brüdergemeinden" einzustufende Gemeinden, bei denen dieser Vorwurf völlig ins Leere geht. Dies gilt auch für viele der nachfolgenden Punkte.

Besonders schade finden ich dann allerdings den Schlussapell:

It would be far more honest and above board for the Neo-Brethren to dissociate themselves from the assemblies and form whatever kind of local church they favor.

Das ist eigentlich das absolute Gegenteil der Ideale der frühen Brüderbewegung ...

Blessings
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Jonas am Sa 21. Dez 2013, 15:48

Hinweis zu: "ganzen Ratschluss Gottes" verkünden

haltefest.ch/646-unser-heiland-gott

Zitat daraus:

"Der Heilsplan Gottes

Dieser grosse Plan, der alle Menschen vor dem ewigen Verderben und der ewigen Gottesferne retten möchte, geht zurück in die vergangene Ewigkeit, und er hat Folgen bis in alle Ewigkeit hinein. Gleich zu Beginn seines Briefes an Titus schreibt Paulus davon: «In der Hoffnung des ewigen Lebens, das Gott, der nicht lügen kann, verheissen hat vor ewigen Zeiten; zu seiner Zeit aber hat er sein Wort offenbart durch die Predigt, die mir anvertraut worden ist nach Befehl unseres Heiland-Gottes» (Tit. 1,2.3). Gott will Menschen nicht nur retten, d.h. aus der grössten Gefahr herausnehmen, in der sie sind, sondern Er hat viel mehr getan: Er hat das ewige Leben verheissen. Ehemals verlorene Sünder, ja, Feinde Gottes, werden einmal in der Herrlichkeit sein und dieses ewige Leben - das wir heute schon als gegenwärtigen Besitz haben - in ungetrübter Form und ohne jede Behinderung geniessen. Diese Verheissung hat Gott seinem Sohn vor ewigen Zeiten gegeben, und sie wird ihre volle Erfüllung in der kommenden Ewigkeit finden.

Der Heilsplan ist also ein ewiger Heilsplan. Er «kommt» sozusagen aus der hinter uns liegenden Ewigkeit, und er «mündet» in die vor uns liegende Ewigkeit ein. «Zu seiner Zeit», d.h. in der Zeitperiode, in der wir jetzt leben, hat Gott ihn offenbart. Der Apostel Paulus war das Werkzeug, das der Heiland-Gott benutzte, um durch die Predigt Menschen zu erreichen. Das galt damals, als Paulus lebte und
«den ganzen Ratschluss Gottes» verkündigte (Apg. 20,27). Aber es gilt auch heute noch, denn die «Predigt» ist uns bis heute erhalten geblieben. Wir besitzen das geschriebene Wort Gottes und haben dadurch Kenntnis vom ganzen Heilsplan Gottes."

Hinweis auf die "Heilige Schrift".
1.Kor. 13,9 u.10
Denn wir erkennen stückweise, und wir prophezeien stückweise; wenn aber das Vollkommene gekommen sein wird, so wird das, was stückweise ist, weggetan werden.
-sowie-
1. Kor 13,12 Denn wir sehen jetzt durch einen Spiegel, undeutlich, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleichwie auch ich erkannt worden bin.

Möge der HERR uns alle segnen!
2. Pet 1,19 Und so besitzen wir das prophetische Wort befestigt, auf welches zu achten ihr wohl tut, als auf eine Lampe, welche an einem dunklen Orte leuchtet, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in euren Herzen;
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon schneid9 am Sa 21. Dez 2013, 23:50

Christian O. hat geschrieben:Die Frage die sich spontan stellt ist, ob diese Kritikpunkt denn solche sind die aus der Schrift belegbar sind, oder sich eher an der Tradition und Kultur von Brüdergemeinden orientiert.

Genau das habe ich mich auch gefragt. MacDonald und Gibson behaupten zwar, sich dieses Unterschieds bewusst zu sein, aber handfeste “matters on which the Scriptures teach clearly” nennen sie dann kaum (außer vielleicht Punkt 5).

Christian O. hat geschrieben:Ouweneel schreibt z.B. in einem lesenswerten Artikel über die »Leitung des Geistes in den Zusammenkünften« das Folgende: »(...) Das fällt natürlich auch unseren jungen Leuten auf, und die sind dann sehr erstaunt, wenn sie entdecken, dass im Neuen Testament darüber eigentlich keine einzige Schriftstelle zu finden ist.

Volle Zustimmung. Dieses angeblich biblische Prinzip, dass der Ablauf der Stunde sich spontan ergeben muss und nicht vorbereitet werden darf, halte ich auch für stark überbewertet.

Christian O. hat geschrieben:Mein Erleben in über 40 Jahren Brüdergemeinde ist nämlich, dass viele Elemente des Ratschlusses Gottes nie in den Predigten vorkamen, andere Bereiche - die interessanterweise den persönlichen vorlieben der »dienenden Brüder« entsprachen - dafür um so häufiger.

Genau. Ein eklatantes Beispiel dafür habe ich in den letzten Jahren in meiner örtlichen Gemeinde erlebt. Wir hatten zwei Brüder, deren absolutes Lieblingsthema die »Endzeit« war und die kaum jemals über etwas anderes predigten. Inzwischen ist der eine verstorben und der andere weggezogen — und seitdem kommt das Thema »Endzeit« bei uns (zum Glück) so gut wie gar nicht mehr vor.

Christian O. hat geschrieben:Besonders schade finden ich dann allerdings den Schlussapell: “It would be far more honest and above board for the Neo-Brethren to dissociate themselves from the assemblies and form whatever kind of local church they favor.” Das ist eigentlich das absolute Gegenteil der Ideale der frühen Brüderbewegung ...

Ja, aber das rührt natürlich am Kern des Selbstverständnisses der Brüdergemeinden: Sind wir einfach nur »Gemeinden nach dem Neuen Testament« (dann wäre einiges an Variation und Veränderung denkbar) oder haben wir zusätzlich noch eine Gruppenidentität als »Brüdergemeinden«, die wir auf jeden Fall erhalten wollen? Ich persönlich bringe Verständnis für beide Positionen auf und halte dieses Dilemma für kaum lösbar.

Interessanterweise behandelte ja auch Weremchuk in seinen beiden offenen Briefen an Ouweneel und Medema (1997 und 1999) genau diesen Punkt. Im ersten Brief forderte er im Wesentlichen das, was auch MacDonald und Gibson schreiben: Wenn ihr die Brüderbewegung gegen ihren Willen verändern wollt, dann verlasst sie doch lieber und geht woanders hin. Im zweiten Brief nahm er das aber zurück:

Max Weremchuk hat geschrieben:I accused you of using the name “Brother” as a cover to propagate ideas that are no longer Brethren. I claimed you were no longer Brethren. I was right — and wrong.
I was right in the sense that you are not identical with the early Brethren, and so not identical with Brethren worldwide who seek to maintain truth by imitating the early Brethren. [...] This imitation even extends to the very expressions used, like some kind of memorial. A museum of the past and a tribute to a bygone glory. I can no longer view your not being identical as something negative.
I was wrong in the sense that you are Brethren as to the original spirit by your remaining open for the Lord's leading. For growth, development and maturity. Experiences I have made since the distribution of the Open Letter have made this clear to me. Being open for growth in understanding and apprehension was the original Brethren attitude, as my renewed study of Darby's life and the history of the Brethren have shown me. [...] Whereas others are concerned with preserving a certain stage in the development of the Brethren Movement I would now say that you are concerned with carrying out its original idea and purpose. I do not know if you agree with me, but I feel that the movement was a beginning and not an end in itself (which it has become for many). In Scripture we are called upon to “hold fast” divinely revealed truth and apostolic traditions. We are not called to preserve human interpretations of that truth as if they were completely free of error or need of improvement over time. Interpretations which came about 160 years ago under certain circumstances that have since changed and cannot be repeated. We are challenged to make something out of the first impetus Brethren received then. Something which reflects growth and understanding and which honors the Lord. We must take it further and not embalm it.

Ich bin nicht sicher, ob ich Weremchuk da zustimmen würde. Gewiss wollten die ersten »Brüder« keine »Brüderbewegung« gründen, aber bestand ihre Identität wirklich nur darin, “open for growth in understanding and apprehension” zu sein? Dieses Bestreben konnten doch sicher auch andere Gruppierungen für sich beanspruchen, die in der Praxis zu ganz anderen Ergebnissen (= Gemeindestrukturen) kamen. Ich denke, Ouweneels legendärer Aufsatz »Christliche Versammlung — wohin?« bringt das Dilemma treffender auf den Punkt: Auf der einen Seite wollten die »Brüder« eine eigene Gruppenidentität unbedingt vermeiden, auf der anderen Seite haben sie aber »von Anfang an (unbewusst) alles getan, um sich eine absolut einmalige Identität zu geben« ...
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Christian O. am Di 24. Dez 2013, 13:50

Hallo Michael,
schneid9 hat geschrieben:Sind wir einfach nur »Gemeinden nach dem Neuen Testament« (dann wäre einiges an Variation und Veränderung denkbar) oder haben wir zusätzlich noch eine Gruppenidentität als »Brüdergemeinden«, die wir auf jeden Fall erhalten wollen? Ich persönlich bringe Verständnis für beide Positionen auf und halte dieses Dilemma für kaum lösbar.

Ich glaube, das die Frage der Gruppenidentität weit mehr im Fordergrund steht, zumindest ist das mein Erfahrungswert. Wir haben in unserer Gemeinde viel darum gerungen, wie "Gemeinde nach dem Neuen Testament" heute aussehen könnte, was liebevoll ist gegenüber den Menschen und gehorsam gegenüber Gott. Und ich stelle mal anhand einiger Beispiele von Ergebnissen dieses Ringens aus meiner Heimatgemeinde die Frage, ob die Foristen uns noch als "Brüdergemeinde" betrachten würden 8-) :

* wir feiern an einem Sonntag im Monat kein Abendmahl, weil wir dort einen besonderen Gottesdienst für Besucher haben.
* Anbetungsstunde und Verkündigung haben wir in einen Gottesdienst zusammengelegt
* es gibt einen Predigtplan (Themen & Personen), den Predigtdienst versehen die Brüder die dafür begabt sind.
* die Lobpreiszeit ist geleitet und strukturiert, es gibt Möglichkeiten zur Beteiligung z.B. in Gebetsgemeinschaften (auch für Frauen)
* wir haben benannte Älteste
* wir haben viele dispensationalistische Lehrinhalte hinterfragt und aufgegeben, wir vertreten nicht die Lehre des Cessationismus
* wir haben uns bisher erfolgreich aller Vereinnahmungsversuche seitens der verschiedenen Strömungen in der Brüderbewegung erwehrt
* wir pflegen gerne Gemeinschaft mit verschiedensten evangelikalen Gruppierungen

Und nun interessiert mich Eure Einschätzung.

Blessings
Christian O.
 
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon asderrix am Di 24. Dez 2013, 16:14

Hallo Christian,

das ist für manche sicher ein Reizthema, und irgendwie höre ich schon, siehste wir haben es euch doch gesagt, das Brüdertum verweltlicht immer mehr(würde mich gern täuschen).

Wie lange war der Weg bei euch und vor allen Dingen, wie habt ihr es geschafft, diesen Prozess transparent und offen zu gestalten, damit sich niemand überfahren fühlte.
asderrix
 
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Christian O. am Di 24. Dez 2013, 17:02

Hallo Asderix,
asderrix hat geschrieben:Wie lange war der Weg bei euch und vor allen Dingen, wie habt ihr es geschafft, diesen Prozess transparent und offen zu gestalten, damit sich niemand überfahren fühlte

Ich wünschte Dir sagen zu können, dass uns dies gelungen ist, aber dem ist nicht so. Im Laufe des Prozesses, den ich mal mit einer Dauer von 7 Jahren ansetzen würde, haben wir viele Beulen bekommen, und auch anderen jede Menge Beulen beigebracht. Das hat uns 4 Jahre lang so frustriert, dass wir eigentlich schon aufgeben wollten.

Dann haben wir seitens des Leiterkreises zusammen mit der Gemeinde in den letzten 3 Jahren mehrere Dinge getan:
1) Wir haben ganz offen die Gemeinde gefragt, wovon die einzelnen träumen wenn sie über Gemeinde nachdenken, und wie sie sich unsere Gemeinde in 5 Jahren vorstellen würden.
2) Die Ergebnisse haben wir in einem Prozess zu einer Gemeindevision zusammengeführt. Diese Vision ist nicht mehr nach innen, sondern ganz klar nach aussen gerichtet
3) Darüber hinaus haben wir mit einem externen Coach ein ganz einfaches Entscheidungssystem erarbeitet: alles was wir tun steht unter der Frage "ist es liebevoll gegenüber Gott und den Menschen?!"
4) Alle Änderungen haben wir intensiv unter Gebet besprochen, von der Vision her erklärt, und dann erst einmal ausprobiert, bevor wir sie auf Dauer installiert haben. Dadurch - und durch andere Dinge - haben wir der Gemeinde Mut gemacht, selber Neues zu denken und auch zu wagen. Wer eine Idee hat und ein Team findet, der kann natürlich innerhalb biblischer Rahmenbedingungen sofort starten.
5) Wir nehmen unsere jungen Leute sehr früh mit hinein in die Arbeit, und auch in die dazu gehörende Eigenverantwortung. Wir ermutigen wenn wir Gaben erkennen zum Dienst.

Es gäbe noch eine Menge andere Dinge, aber das würde den Rahmen doch sprengen (spez. Fragen gerne per PN). Und trotz aller Sorgfalt haben wir - und werden wir auch noch - Geschwister auf diesem Weg nicht mit nehmen können. Und es gibt auch solche, die nachdem wir ihnen unsere Art Gemeinde zu leben erklärt haben, sich gegen die Gemeinde entschieden haben. Und doch macht uns Gott Mut, indem er uns Menschen schickt, denen wir ein Stück auf dem Weg mit Jesus weiterhelfen können. Vor 3 Jahren mit 25 Geschwistern gestartet sind wir nun um die 45, der Zuwachs kommt zu 3/4 aus dem Bereich "unchurched" bzw. "Noch-nicht-Christen", Mitte des Jahres hatten wir Taufe mit 10 Täuflingen, Gott ist gut!

Blessings und ein gesegnetes Weihnachtsfest
Christian O.
 
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Anke am Di 24. Dez 2013, 18:26

Lieber Christian O.
Auch ich habe noch ein paar Fragen dazu:

Christian O. hat geschrieben:* wir haben benannte Älteste

Haben sich die Benennungen (nach erkennen) so ergeben oder wurden Älteste auch gewählt?

Christian O. hat geschrieben:* wir haben viele dispensationalistische Lehrinhalte hinterfragt und aufgegeben, wir vertreten nicht die Lehre des Cessationismus

Könntest Du zu den weiteren aufgegebenen Lehrinhalten etwas schreiben? Hat es auch Geschwister die nicht mit allem konform sind aber dennoch bleiben?

Christian O. hat geschrieben:* wir haben uns bisher erfolgreich aller Vereinnahmungsversuche seitens der verschiedenen Strömungen in der Brüderbewegung erwehrt

Handelt es sich hierbei um Geschwister am selben oder Nachbarsort - oder auch überregional?

Christian O. hat geschrieben:Vor 3 Jahren mit 25 Geschwistern gestartet sind wir nun um die 45, der Zuwachs kommt zu 3/4 aus dem Bereich "unchurched" bzw. "Noch-nicht-Christen", Mitte des Jahres hatten wir Taufe mit 10 Täuflingen, Gott ist gut!

Wie ist der Zuwachs zustande gekommen (insoweit man dies überhaupt so ausdrücken kann)? Gab es evangelistische Aktionen von der Gemeinde aus oder kamen die Neuen über einzelne Geschwister hinzu?

Dann noch: Habt ihr für die neu Hinzugekommenen (Herausgerufenen) auch Hauskreise. Inwieweit wird ihnen geholfen (z.B. mit Literatur) beim Bibelstudium?

Herzlichen Dank für die Erläuterungen im voraus. Es macht sehr Freude zu lesen, dass es Wachstum gibt :-)

Liebe Grüsse, Anita
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon Christian O. am Di 24. Dez 2013, 21:27

Hallo Anita,

lecker gegessen, die Kids spielen mit Ihren Geschenken, also ein paar Minuten für ein paar Antworten - aber nur kurz:

Anke hat geschrieben:Haben sich die Benennungen (nach erkennen) so ergeben oder wurden Älteste auch gewählt?

Wir glauben, dass der Heilige Geist Älteste einsetzt. Diese werden durch Ihren Dienst den Gemeindemitgliedern quasi "sichtbar" und anhand biblischer Kriterien prüfbar, und können so erkannt und anerkannt werden. Diesen Prozess kann man nicht in eine "Wahl" pressen, sondern das bedeutet sehr viel Kommunikation und Offenheit.

Anke hat geschrieben:Könntest Du zu den weiteren aufgegebenen Lehrinhalten etwas schreiben? Hat es auch Geschwister die nicht mit allem konform sind aber dennoch bleiben?

Z.B. Darby´s Lehre vom Verfall, die strikte Unterteilung der Haushaltungen, die Lehre vom "neuen Bund nur für die Juden", das Konzept der Vorentrückung, die Lehre vom Aufhören der Geistesgaben, die Lehre von der "Leitung des Geistes in den Gemeindestunden" und einiges mehr. Und ja, es gibt Geschwister die mit dem einen oder anderen nicht konform gehen, und trotzdem glücklich in der Gemeinde sind.

Anke hat geschrieben:Handelt es sich hierbei um Geschwister am selben oder Nachbarsort - oder auch überregional?

Nachbarorte und auch überregional.

Anke hat geschrieben:Wie ist der Zuwachs zustande gekommen

Wir versuchen immer mehr integriert zu arbeiten, d.h. das alle Gottesdienste so verständlich sind, dass jeder Gäste mitbringen kann. Wir haben Gästegottesdienste und zwei größere Veranstaltungen pro Jahr. Wir haben den ALPHA - Kurs und einen Ehe - ALPHA genutzt, kümmern uns aber auch um (diakonische) Kontake zu Noch-nicht-Christen. Für die "jungen Christen" gibt es Entdeckerbibelstudium, weiterführend derzeit z.B. den Kurs "Mein Leben als Christ", aber auch die "Class1&2" Kurse nach dem Vorbild von "Kirche mit Vision", das alles in verschiedenen, teils zielgruppenorientierten Hauskreisen. Aber ohne den Segen Gottes geht sowieso gar nichts.

Allen noch ein gesegnetes Weihnachtsfest!

Blessings
Christian O.
 
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Re: Neo-Brüdertum

Beitragvon schneid9 am Fr 27. Dez 2013, 17:48

Christian O. hat geschrieben:Und ich stelle mal anhand einiger Beispiele von Ergebnissen dieses Ringens aus meiner Heimatgemeinde die Frage, ob die Foristen uns noch als "Brüdergemeinde" betrachten würden 8-) :

Ich hatte hier ja vor einiger Zeit mal einen Vorschlag für einen Merkmalskatalog gemacht. Von meinen 12 Merkmalen einer Brüdergemeinde erscheinen mir bei euch

— Merkmale 1, 2, 3, 6, 8, 9 erfüllt
— Merkmal 7 teilweise erfüllt
— Merkmal 4 nicht erfüllt
— Merkmale 5, 10, 11, 12 unklar

Das ist eine Trefferquote von mindestens 54 %, also seid ihr eine Brüdergemeinde ;)

Natürlich kann man die Merkmale auch gewichten. Ich habe gestern wieder mal einiges aus der Frühzeit der Brüderbewegung (um 1840) gelesen und festgestellt, dass damals “open ministry” (entspricht meinem Merkmal 4) als das entscheidende Kriterium angesehen wurde, auch von Außenstehenden und Besuchern. Genau dieses Merkmal fehlt bei euch ... Um es also mit MacDonald und Gibson auszudrücken (inzwischen auch auf Deutsch verfügbar): »Wenn die ersten „Brüder“ [eure] Gemeinde besuchen könnten, ist es sehr fraglich, ob sie viel Ähnlichkeit mit dem finden würden, was sie einst als neutestamentliche Gemeindeprinzipien betrachteten« ... ;)

Ich gehe noch kurz auf deine einzelnen Punkte ein:

Christian O. hat geschrieben:* wir feiern an einem Sonntag im Monat kein Abendmahl, weil wir dort einen besonderen Gottesdienst für Besucher haben.

Interessant. Dass das wöchentliche Brotbrechen ein Problem für Besucher sein könnte, ist mir erst durch die Veröffentlichungen englischer »Neo-Brüder« (v.a. Neil Summerton) richtig bewusst geworden. In England löst man das offenbar so, dass man das Brotbrechen abends abhält (aber sicher nicht wöchentlich, denn wer will schon jeden Sonntagabend nochmal zur Gemeinde gehen/fahren?). Auch für mich hängt die Identität einer Brüdergemeinde nicht am wöchentlichen Brotbrechen — das kann im Gegenteil sehr schnell zum sinnentleerten Ritual werden, insbesondere wenn dabei immer dieselben Lieder gesungen und immer dieselben Schriftstellen gelesen werden.

Christian O. hat geschrieben:* Anbetungsstunde und Verkündigung haben wir in einen Gottesdienst zusammengelegt

... der dann vermutlich weniger als zwei Stunden dauert? ;)

Christian O. hat geschrieben:* es gibt einen Predigtplan (Themen & Personen), den Predigtdienst versehen die Brüder die dafür begabt sind.

Das ist ja in vielen Brüdergemeinden (auch bei uns) immer noch ein Tabu, hat aber m.E. Vorteile und ist auch nicht unbiblisch: Auf der einen Seite werden dadurch Brüder, die sich gern selbst reden hören, im Zaum gehalten, auf der anderen Seite wird Brüdern, die sich ohne diese klare Struktur nicht trauen würden, der Dienst erleichtert. Über die größere Themenvielfalt haben wir ja schon gesprochen.

Christian O. hat geschrieben:* die Lobpreiszeit ist geleitet und strukturiert, es gibt Möglichkeiten zur Beteiligung z.B. in Gebetsgemeinschaften (auch für Frauen)

Darüber könnte man diskutieren. Wann und wie finden diese Gebetsgemeinschaften denn statt?

Christian O. hat geschrieben:* wir haben benannte Älteste

Dagegen habe ich grundsätzlich nichts, sehe aber auch nicht unbedingt die Notwendigkeit.

Christian O. hat geschrieben:* wir haben viele dispensationalistische Lehrinhalte hinterfragt und aufgegeben, wir vertreten nicht die Lehre des Cessationismus

Hier wird es für mich schon kritischer, denn den Dispensationalismus halte ich für das wertvollste theologische Erbe der Brüderbewegung. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen (1) einer dispensationalistischen Gemeinde, die einen Pastor hat und nur einmal pro Vierteljahr Abendmahl feiert, und (2) einer nichtdispensationalistischen Gemeinde, in der alle dazu begabten Brüder predigen können und jede Woche Abendmahl gefeiert wird, würde ich mich ohne Zögern für (1) entscheiden ... ;)

Aber man muss natürlich definieren, was genau man unter Dispensationalismus versteht. Viele Dispensationalisten (auch und gerade in der AV) meinen ja ganz naiv, dass sie einfach nur die »Lehre der Bibel« oder die »Wahrheit der Schrift« vertreten, und merken gar nicht, dass sie in Wirklichkeit einer elaborierten theologischen Theorie anhängen, zu der es unter sog. bibeltreuen Christen durchaus Alternativen gibt. Ich plädiere deshalb immer für einen »aufgeklärten Dispensationalismus«: Ja zu den dispensationalistischen Grundannahmen, aber nicht, weil sie mit der »Wahrheit der Bibel« identisch wären, sondern weil sie die Vielfalt biblischer Einzelaussagen überzeugender und eleganter miteinander in Einklang bringen und scheinbare Widersprüche besser auflösen als andere Theorien.

Als Zentrum des Dispensationalismus sehe ich übrigens nicht Darbys Verfallslehre (die im akademischen Dispensationalismus kaum noch vertreten wird) oder die Annahme von genau sieben Haushaltungen (schon Darby kam — je nach Definition und Zählung — auf fünf oder neun), sondern die Unterscheidung zwischen Israel und der Gemeinde mit ihren soteriologischen, ethischen und eschatologischen Konsequenzen (z.B. Verhältnis von Gesetz und Gnade, Gültigkeit bestimmter Bibelteile für Christen, Zeitpunkt der Entrückung). Was den Cessationismus betrifft, so ist auch er m.E. kein notwendiger Bestandteil des Dispensationalismus, aber die Frage ist natürlich, was Nichtcessationismus in der Praxis konkret bedeutet. Wird in euren Gottesdiensten »in Zungen geredet«?

Christian O. hat geschrieben:* wir haben uns bisher erfolgreich aller Vereinnahmungsversuche seitens der verschiedenen Strömungen in der Brüderbewegung erwehrt

Das ist einerseits verständlich (und für »blockfreie« Gemeinden typisch), andererseits aber vielleicht auch eine Überreaktion auf den allzu engen Zusammenhalt in der AV. Eine völlig auf sich selbst gestellte Gemeinde hat es erfahrungsgemäß schwerer, ihr Profil zu bewahren, besonders wenn viele anders geprägte Christen dazukommen.

Christian O. hat geschrieben:* wir pflegen gerne Gemeinschaft mit verschiedensten evangelikalen Gruppierungen

Wie sieht das genau aus? Besucht ihr euch gegenseitig? Macht ihr gemeinsame Veranstaltungen?
Michael Schneider
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